Aspekte der japanischen Gesellschaft

Buchtitel: Familienangelegenheiten (Japanstudien, Band 19)
Herausgeber: Peter Backhaus
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2007
ISBN 978-3-89129-382-9

Die im Jahrbuch des Deutschen Instituts für Japanstudien versammelten Aufsätze werden jeweils zu einem Generalthema zusammengebracht. In dieser jüngst erschienenen Folge handeln die Untersuchungen überwiegend von aktuellen Entwicklungen der japanischen Gesellschaft und bieten allen an der Sache Interessierten anregenden Lesestoff.
Im ersten Aufsatz beleuchtet Andrea Germer das Verhältnis der japanischen Frauenbewegung zu den folgenschweren Entwicklungen des Nationalstaates im Zeitraum zwischen 1918 und 1945. Die Vereinnahmung selbst prononcierter Frauenrechtlerinnen durch die Ideologie des Militarismus und der damit verbundenen Wertigkeit der Reproduktionsfähigkeit, mag verwundern, wird aber vor dem Hintergrund der spezifischen japanischen Verhältnisse erklärbar. „Der Kampf um das Frauenwahlrecht wurde bewusst aufgegeben.“(S. 32) Und bekanntlich erst nach Ende des Krieges durch die US-amerikanische Besatzungsmacht auf den Weg gebracht.
Michiko Mae und Julia Schmitz vergleichen in einer gemeinsamen Arbeit die moderne Familie in Japan und Deutschland vor 1945. Die mitunter als verspätet gedeutete Ausbildung des Nationalstaates in Deutschland (im Vergleich zu anderen europäischen Nationen) und die Ablöse des Tokugawa-Feudalstaates durch ein Staatsgefüge nach westlichem Zuschnitt in der Ära Meiji in Japan, lassen auch gewisse Entwicklungen in der Förderung und Ideologisierung der Familie als Keimzelle des Staates parallel laufen. In der Zeit der totalitären Regime befleißigt sich der nationalsozialistische Staat allerdings einer rassistischen Ideologie, mit der die Massenmorde gerechtfertigt werden. Expliziter Rassismus ist dem japanischen Regime hingegen fremd. „In Japan war also keine Rassenideologie das leitende Prinzip für das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatheit bezogen auf die Familie; das leitende Prinzip dafür war vielmehr die Familienstaatsideologie.“(S. 74)
Momoyo Hüstebeck vergleicht in ihrem Aufsatz das weibliche Rollenverständnis in Japan und Südkorea vor dem Hintergrund (neo)konfuzianischer Traditionen, die ein patriarchales Geschlechterverhältnis zu legitimieren halfen. Das Verhalten von Frauen aller Schichten zu reglementieren, setzte in Korea nicht vor Urzeiten, sondern erst ab dem 15. Jahrhundert ein (vgl. S. 86). Und „bis ins 8. Jahrhundert waren Frauen in Japan in der Wahl ihres Sexual- bzw. Lebenspartners weitgehend frei und ökonomisch gleichberechtigt. (S. 87) Dass die Industrialisierung in Japan und das spätere südkoreanische Wirtschaftswachstum auf der Verpflichtung billiger weiblicher Arbeitskräfte beruhte, kann nicht oft genug in Erinnerung gerufen werden. Die großen Veränderungen in der südkoreanischen Gesellschaft, ausgelöst durch die Demokratisierung Ende der 1980er Jahre, verwandelte auch das Frauenbild enorm. (Die jüngsten Wahlen zum südkoreanischen Parlament, April 2008, brachten eine Erhöhung des Anteils an weiblichen Abgeordneten auf 14 Prozent.)
Annette Schad-Seifert beleuchtet den Wandel der Mittelstandsgesellschaft Japans hin zu einer „Differenz-Gesellschaft. Die Anzahl der Menschen mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze wächst stetig. (vgl. S. 113 ff.)
Jörg Kruth gewinnt aus qualitativen Interviews eine kleine Studie über die Entwicklung der Familie in Japan, Diana Adis Tahhan untersucht das Schlafverhalten von Ehepaaren mit Kind, mit Augenmerk auf das so genannte „kawa no ji“-Schlafen, Allison Alexy beschäftigt sich mit dem Scheidungs-Boom unter älteren Ehepaaren, vor dem Hintergrund einer jüngst veränderten Gesetzeslage, Timothy Iles sieht sich die verwandelten Charaktere von Vätern im japanischen Film an und Klaus Vollmer liest ein Sozialkundebuch für die Schule, um die darin ausgebreitete Darstellung des japanischen Familienlebens zu analysieren.
Buchrezensionen beschließen den Band.



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