Japanisches Architektenduo

Buchtitel: SANAA Kazuyo Sejima & Ryue Nishizawa
Autor/Interviewpartner: Hans Ulrich Obrist (u.a.)
Verlag, Erscheinungsjahr: Verlag der Buchhandlung Walther König, 2012
ISBN 978-3-86560-927-4

Es gibt unverzeihliche Versäumnisse. Beispielsweise wenn die japanische Architektin Sejima des Duos SANAA im Wiener MAK einen ihrer raren Vortragsabende hält (Thema: „Architecture and Environment“, 20. Sept. 2011), man dazu eingeladen wird und man diese Einladung aufgrund anderweitiger Verpflichtung nicht wahrnehmen kann. Das Interviewbuch von Hans Ulrich Obrist ist dafür nur ein schwacher Trost, aber immerhin einer. Der Schweizer Kurator kennt im Umgang mit der Creme der Kunstwelt keine Berührungsängste und pflegt Kontakte mit der ganzen Welt. Seit Jahren führt er die Reihe „The conversation series“ mit namhaften Vertretern und Vertreterinnen der Szene. Das Genre des Kunst- oder Künstlergesprächs ist ja nahezu ein eigenes im Repertoire der Dialogführung, das sowohl einen gewissen Gestus, um nicht zu sagen: eine Attitüde, als auch einen bestimmten Sprachcode kultiviert, der es dem Uneingeweihten schnell langweilig werden lässt. Vielleicht gelingt der Austausch mit Architekten darum besser, weil selbst die Stars unter ihnen seltener das Gefühl dafür verlieren mit den Beinen auf dem Boden haften zu bleiben. Man kann aus Krempel eine Assemblage zusammenleimen und das Ergebnis der Arte Povera zuordnen, aber aus ungeeigneten Baumaterialien unter Missachtung der Statik ein Gebäude aufführen würde nie unter Hausbau fallen.
Der Start der Kollaboration von Sejima und Nishizawa beginnt 1995 ernüchternd. Sie gewinnen den Wettbewerb des Museum of Contemporary Art in Sydney. Das Projekt wird nie realisiert. Ein spektakulärer Entwurf und eine ebenso beeindruckende Umsetzung: Das New Museum of Contemporary Art in New York. Es folgen etliche Pavillons, die Sejima Kazuyo nicht immer als solche bezeichnet wissen möchte. Etwa The Glass Pavilion in Toledo, Ohio, mit seinen nicht gerade schmalspurigen 7000 Quadratmetern. Ein Wesensmerkmal der Architektur von SANAA ist eine nahezu leichtfüßige Luzidität. Ein Movens ihres Arbeitens verdeutlicht folgendes Statement: „A lot of our work is about bringing the outside in and the inside out.”(S. 60) Was vor allem am Museumsbau auf der Insel Teshima, Japan, und am Rolex Learining Center in Lausanne, Schweiz, sichtbar wird. Räume sind nicht starr ausdefiniert, sondern wandeln sich mit den Beschäftigungsweisen und Interaktionen der in ihnen agierenden Menschen.
Sejima und Nishizawa arbeiten immer wieder mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Ich frage mich, welches fruchtbare Ergebnis eine Zusammenarbeit beispielsweise mit dem leider viel zu früh verstorbenen Gordon Matta-Clark hätte zeitigen können.



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