Japan erleben

Buchtitel: Schattenläufer und Perlenmädchen. Abenteuer Alltag in Japan
Autorin: Christine Liew
Verlag, Erscheinungsjahr: Dryas, 2010
ISBN 978-3-940855-22-0

Die Verfasserin dieses recht kurzweiligen Buches spricht nicht nur fließend Japanisch, Koreanisch geht ihr nicht weniger elegant von der Zunge [Ihrem vorzüglichen Buch „Reisegast in Korea“, Iwanowski 2010, sei hier ebenso die beste Empfehlung ausgesprochen!]. Auch wer sich der Einbildung ergeht, er oder sie habe schon alles über Japan gelesen, wird hier das eine oder andere finden, das er/sie noch nicht wusste, anderes wird wieder in Erinnerung gerufen. Etwa, dass gewisse Japanklischees erst über den Umweg fernwestlicher Missverständnisse Eingang ins japanische Traditionsbewusstsein gefunden haben [Beispielsweise dank Eugen Herrigels Buch „Zen und die Kunst des Bogenschießens“, vgl. S. 79]. Die Chose verhält (oder verhielt) sich dabei deutlich folgenschwerer als bei den nordamerikanischen Hopi, die einige Absonderlichkeiten extra zur Bestätigung der vorgefassten Meinung esoterisch angehauchter Experten ‚kultivierten’, selber die Dinge aber ganz anders sehen.
Insgesamt 15 Jahre verbrachte Christine Liew mit Familie, asiatischem Gatten und Kinder, in Japan und gewann solcherart tiefere Einblicke als die gewöhnliche Kurzzeitresidentin.
Dass die Perlenmädchen, Ama, von der Halbinsel Ise bis nach Okinawa anzutreffen waren (sind) und zumeist Meeresfrüchte ertauchen, war mir nicht bewusst. Sie sind damit den Haenyeo auf Cheju-do verwandt, wenngleich sie deren traditionell strengere Kleidervorschrift nicht teilten. Man hüte sich davor diese körperlich anspruchsvolle und nicht selten gefährliche Betätigung als Jungbrunnen zu deuten, wenngleich ihr im Zeitalter von Raubfischerei und industriell betriebener Überfischung etwas bewundernswert Anachronistisches zukommen mag.
Übrigens: Nicht alle Japaner verschlingen die unter Gaijin berüchtigte Fäden ziehende Bodenpaste Natto mit Hochgenuss – die Bewohner der Region Kansai eher nicht (S. 86).
Und wer weiß schon, dass
– die Hinomaru erst seit 1999 offiziell Nationalflagge ist? (S. 71 ff.)
– es einen „Hunde-Shogun“ (Inu-Kobu) gegeben hat? (S. 159)
– „es in Japan gegenwärtig mehr Hunde als Kinder unter 15 Jahren gibt.“(S. 154)
– Tokio offiziell niemals zur Hauptstadt ausgerufen worden ist? (S. 140)
– man mit Tätowierungen übersät wie ein Rosstäuscher öffentlicher Badeanstalten verwiesen wird? (S. 230)
– vor Enjo kosai als sozialem Phänomen genauso die Augen verschlossen werden wie in Südkorea?
– es ein Gefängnis gibt, das sich auf Geriatrie-Insassen spezialisiert hat? (S. 124)
– „es allein in Tokyo über 5000 Obdachlose“ gibt? (S. 98)
Im Mittelteil finden sich einige Photos, die die Autorin gemacht hat. Davon wünschte man sich freilich mehr. Dann aber wäre wohl der Preis des Buches nicht zu halten gewesen.



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