Deutschland und Japan im Zeitalter der Weltkriege

Buchtitel: Gute Deutsche, schlechte Japaner? Japan und Deutschland im Spiegel der Geschichte. Gemeinsamkeiten und Gegensätze; neun friedenshistorische Aufsätze
Autor: Klaus Schlichtmann
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2008
ISBN 978-3-89129-863-3

Im Nachhinein werden Ereignisse von weltgeschichtlicher Tragweite leichthin in stringenten Abläufen gedacht: Dass es so gekommen ist, und nicht anders, hat diesen oder jenen Grund. Die Arbeit von Historikern als ein Interpretieren und Aufeinanderzuführen von Fakten gerade angesichts der Fülle und Komplexität zu berücksichtigender Materialien, nimmt sich als Anstrengung aus, die niemals einen Abschluss findet und von jeder Generation immer wieder neu aufgenommen werden muss. Vielleicht ist es aber auch so, dass es gar keine schlüssigen Antworten zu gewinnen gibt, lediglich präziser zu formulierende Fragen und verhilfe dieser Fragen sich lediglich das Unbehagen an der Geschichte wandelt, verringert oder vergrößert.
Niall Fergusons Buch „Der falsche Krieg“ etwa entlastet die Hauptschuldtragenden am Ausbruch des Ersten Weltkriegs keineswegs, vergrößert aber deren Kreis. Und das jüngste Werk des US-amerikanischen Autors Nicholson Baker, „Human Smoke“, findet aus der Perspektive eines radikalen Pazifismus einen überaus beunruhigenden Blick auf das Zwanzigste Jahrhundert.
Schön, wenn feststeht wer die Bösen sind, die Bösen immer immens böse und die Guten so was von gut sind, dass es regelrecht herzig wirkt, um nicht zu sagen: kitschig. Aber die Weltgeschichte folgt nun einmal nicht der Dramaturgie einer amerikanischen Klamotte. Und die Mitte, von der aus sie gewissermaßen objektiv zu betrachten wäre, die gibt es nicht. Oder um es mit Theodor Lessing zu sagen: „Immer schreiben Sieger die Geschichte von Besiegten, Lebengebliebene die von Toten.“
Klaus Schlichtmann führt in seinem Werk ausgewählte Aufsätze zusammen, die sich aus friedenswissenschaftlicher Perspektive mit Ereignissen auseinandersetzen, die nicht nur Deutsche und Japaner betreffen. Dass eine Grundlage für dauerhaften Frieden auf der Weiterentwicklung des Völkerrechts und Internationaler Vereinbarungen beruht, insbesondere aber in der Etablierung überstaatlicher Institutionen mit entsprechender Sanktionskompetenz, leuchtet ein. Am Beispiel der Haager Friedenkonferenzen zeigt der Autor auf, wie übersteigerte nationale Interessen sich zu einem Durchkreuzen dieser ambitionierten Pläne auswachsen konnten. Wahrscheinlich war der deutsche Kaiser Wilhelm II. ebenso geistlos wie der österreichisch-ungarische Kaiser Franz Joseph gefühllos.
Der Autor zeigt auf, dass die japanische Politik sich nach Erfahrungen ausrichtete, die sich für dieses aufstrebende Land aus der Beobachtung des Verhaltens der europäischen Mächte in Ostasien ergaben und wirklich widerlich wurde das japanische Vorgehen erst mit der Eskalation seiner Expansionspolitik, die unter dem Euphemismus der „Ausweitung der großostasiatischen Wohlstandssphäre“ firmierte. Zu Recht führt Schlichtmann an, dass noch der Russisch-japanische Krieg 1904/05 zu Bedingungen unter Beachtung völkerrechtlicher Vereinbarungen geführt wurde, die europäische Nationen zu diesem Zeitpunkt bereits stillschweigend für null und nichtig erklärt hatten.
Vergangenheitsbewältigung als mühsame Angelegenheit – das ist bekannt. Dass der Deutsche Bundestag relativ spät Beschlüsse fasst, die Schuld und Verantwortung für zurückliegende Untaten beteuern, kann aber selbst nicht moralisierend qualifiziert werden. Der deutsche Historiker Götz Aly antwortete auf die Frage, warum seine Erkenntnisse erst jetzt zutage träten, dass entsprechende Forschungsansätze eben immer auch Produkte ihrer Zeit wären. Also lieber spät, als nie. Und die komplizierten Verhältnisse mit der sogenannten Vergangenheitsbewältigung in Japan werden vielleicht auch einmal Wege einer deutlicheren Artikulation finden. Kooperationen zwischen südkoreanischen und japanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stimmen diesbezüglich optimistisch.
Die Fülle annotierten Materials macht die Lektüre der Aufsätze mitunter etwas mühevoll. Gleichzeitig bietet es aber reichhaltig Anregung, dem einen oder anderen Aspekt weiter nachzugehen. Allein den „Verlust der Mitte“ als Ursache kriegerischer Auseinandersetzungen einzuführen, erscheint etwas dubios. Der Begriff vermochte bereits beim Kunsthistoriker Hans Sedlmayr nicht wirklich zu überzeugen.
Dennoch, für politisch Interessierte: Wärmste Empfehlung!



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