Schönes zum Anziehen

Buchtitel: Kimono
Autorin: Sophie Milenovich. Aus dem Französischen von Christa Trautner-Suder
Verlag, Erscheinungsjahr: Knesebeck, 2007
ISBN 978-3-89660-492-7

Dass Traditionelles in Japan, neben Korea das weltweit einzige Land der „lebenden Nationalschätze“, nach und nach stiften geht, ist ein Topos, dem schon Alex Kerr nachgespürt hat [in seinem Werk „Lost Japan“]. Eben erst hat das auch Christoph Neidhart wieder in Worte gefasst [„Die Kirschblüte duftet nach Sprit. In Japan bröckelt die Ästhetik der Vergangenheit, aber keiner sieht hin. Eher wird die Erinnerung beschworen.“, in: Süddeutsche Zeitung (259), 10./11. November 2007, S. V.]
Und da kommt ein Buch daher, das die Schönheit der traditionellen japanischen Kleidung vorführt. Vor geraumem bin ich in unserer Stadt einer echten Japanerin in einem echten Kimono ansichtig geworden, einer Studentin der Linzer Kunstuniversität. [Im Übrigen die gleiche Person, deren Konterfei über viele Monate die Fassade des Ars Electronica Centers zierte, dortselbst in einem schlichten, monochromen Kleid und mit einer Haube aus Kabelbindern, die einer ihrer Kommilitonen kreiert hatte, in virtueller Landschaft auftretend.] Wie soll man das beschreiben? Als begegnete man der zierlichen Schönheit eines Paradiesvogels, die man ja nicht von ungefähr auch die fliegenden Edelsteine nennt.
Die Autorin Sophie Milenovich hat zwei Jahre im Land der aufgehenden Sonne verbracht und ihre Herangehensweise an das Phänomen Kimono ist eine erfrischend pragmatische: Sie trennt einen auf. Damit legt sie die Maße einer Stoffbahn frei, die sich seit Generationen kaum verändert haben. Tatsächlich ist das Ausgangsprodukt ein Stoffballen, tanmono geheißen, der mit seinen 13,5 Metern Länge exakt für einen Kimono reicht. Am Ende der Verarbeitung bleibt nicht einmal ein Fetzchen für ein Schneuzquadrat.
Dass der Kimono eine Menge über seine Trägerin oder seinen Träger verrät, hat die Autorin zudem auch die Güte uns zu verraten. Zum Beispiel die Ärmellängen (eigentlich die Breite derselben): Sie sagen aus welchen Familienstandes die Frau ist (ob verheiratet oder unverheiratet) und welchem Anlass ihr Auftreten zuzuschreiben ist (gewöhnlich, feierlich, hochoffiziell). Die Farbigkeit der Stoffe wandelt sich nicht nur mit dem Lebensalter (das farbenfröhlichste Auftreten war früher dem Adel vorbehalten), sondern auch mit der Jahreszeit. Ein Sujet der blühenden Kirschzweige zu zeigen wäre in der Zeit nach hanami ein ziemlicher Fauxpas. Es gilt also in jedem Fall die Etikette zu wahren. Dass das alles herzlich kompliziert ist, darum weiß man in Japan und darum gibt es auch dafür Ausbildungsstätten mit entsprechender Zertifizierung (wie vergleichsweise für die nicht weniger verwickelte Chose „Teezeremonie“ oder für Iaido, das traditionelle Schwertfuchteln).
Das lustige Kissen am Rücken der Damen, als Teil des obi, des, salopp gesagt: Kimono-Gürtels, heißt obi makura. Dieses ist im Grunde den Verheirateten vorbehalten, die Jüngeren können aus über 300 Varianten Schleifen zu formen wählen. Und natürlich ist die Art der Schleife ihrerseits schon wieder sprechend.
Was den seltsamen Gang der traditionell gewandeten Japanerinnen verschuldet, ist weniger durch die, respektlos gesagt, Silhouette der Litfaßsäule begründet, als durch tabi, zori und geta. Dass man tabi nicht einfach als die japanische Schwester der Socke ansprechen sollte, stellt die Autorin ebenso klar, wie sie der Frage nicht ausweicht, was Kimonoträgerinnen und –träger denn unter dem Kimono tragen.
Welche Relevanz die traditionelle Kleidung im Zeitalter der Anzugmenschen auch weiterhin haben wird? Naja, möge die Tradition Kimonos zu tragen nie das Schicksal der althergebrachten japanischen Häuser teilen, die nach und nach verschwinden.
Als ein Buch mit schönen Bildern schön angezogener Menschen sehr zu empfehlen!



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