China oder Indien – oder doch lieber Japan?

In ihrer Meinungskolumne bietet die “Japan Times” heute (22.06.2006) einen Beitrag von Kazuo Ogoura, Professor an der Aoyama Gakuin Universität und ehemaliger Mitarbeiter des diplomatischen Korps in Vietnam, Südkorea und Frankreich, der die jüngsten Entwicklungen in China und Indien zum Gegenstand hat.
Vor allem die Google-Selbstzensur in China und der ominöse Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Indien über den Austausch von Nukleartechnologie werden angesprochen. Der Schnitzer, den sich Google in China erlaubt, ist angesichts der Tatsache, dass dieselbe Firma Interventionen der Behörden (die ihr unter dem Titel der Verbrechensprävention angedient worden waren) in den USA stets zurückgewiesen hatte, besonders degoutant. Indien als Atommacht anzuerkennen, wiewohl es alle diesbezüglichen internationalen Vereinbarungen (z. B. den Atomwaffensperrvertrag) nicht unterzeichnet hat, setzt ein geradezu beklemmendes Signal in die Welt.
Kazuo Ogoura hat vollkommen Recht, wenn er das Land, das sich gerne als die größte Demokratie der Welt geriert, als untaugliches Vorbild für alle anderen Entwicklungsländer (Indien beansprucht tatsächlich noch diesen Status) entlarvt. Der Zynismus, einerseits wirtschaftliches wie militärisches Großmachtgehabe an den Tag zu legen, andererseits aber nicht die damit verbundene Verantwortung wahrzunehmen, wie es beide Staaten, Indien und China betreiben, stößt Kazuo Ogoura sauer auf.
Im Frühjahr 2005 hat ein japanischer Wirtschaftsexperte während einer internationalen Tagung in der Schweiz auf die Journalistenfrage, welche der beiden Nationen, Indien oder China, im angekündigten asiatischen Jahrhundert führend werden würden, ersterem den Vorzug gegeben. Wahrscheinlich stehe ich mit meiner Einschätzung, Ã la longue werden es Japan und Korea sein (oder bleiben), allein da, aber beiden Staaten eignet eine realistische Grundlage ihrer gesellschaftspolitischen Verfasstheit, die sowohl der Volksrepublik, als auch dem Subkontinent abgeht. Die Verschärfung der sozialen Gegensätze wird in beiden Staaten eine gewaltige Sprengkraft entwickeln, von Umweltproblemen ganz zu schweigen. Dass in Indien Kinderarbeit an der Tagesordnung ist, während der so genannte neue Reichtum nichts zur Verbesserung der Situation der Ärmsten des Landes beiträgt, macht es dort nicht wirklich kommoder. Die fehlende Meinungsfreiheit in China und, freundlich gesagt, bestehende Gesetzeslücken (oder die laxe Exekution ratifizierter Abkommen) im Umgang mit internationalen Patenten und Lizenzen, belasten gewisse Entwicklungen jetzt schon. Die virulente Korruption ist dabei noch gar nicht angesprochen.
Allen offen gelegten Skandalen zum Trotz gestalten sich (wirtschafts-)politische Abläufe in der Republik Korea und in Japan wesentlich transparenter. Darüber hinaus werden internationale Verantwortlichkeiten von diesen beiden Staaten auch tatsächlich wahrgenommen. Und was das Wichtigste und wirklich Zukunftsträchtige ist: Auf die Ressource Mensch wird in Japan und Korea die größere Rücksicht genommen!

Quelle:
China and India. Freedoms and responsibilities [Kazuo Ogoura], The Japan Times, 22.06.2006 (http://search.japantimes.co.jp/cgi-bin/eo20060622ko.html)

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