Koizumis Besuche am Yasukuni-Schrein

Der Oberste Gerichtshof Japans hat jüngst eine Klage gegen Ministerpräsident Koizumi abgewiesen, wie die internationale Presse übereinstimmend berichtete (1). Über 200 Personen (Angehörige von Kriegstoten aus Japan, Südkorea und China) hatten versucht geltend zu machen, Koizumis Yasukuni-Visiten würden dem Verfassungsgebot einer strikten Trennung von Religion und Staat widersprechen. Das Gericht folgte in seinem Erkenntnis der Darstellung des Ministerpräsidenten, wonach er lediglich als Privatperson die Stätte aufsuchen würde. [Diese etwas seltsam anmutende Ansicht wird auch über die Homepage der japanischen Botschaft kolportiert.] Ebenfalls zurückgewiesen wurde eine symbolisch bezifferte Entschädigung für durch diese Geste erlittene Seelenpein.
Am Yasukuni-Schrein wird nicht nur gewöhnlicher Kriegstoter gedacht, sondern auch ausgewiesener Kriegsverbrecher. Das angefügte Museum zeichnet sich durch eine, vorsichtig formuliert, recht eigenwillige Darstellung der geschichtlichen Ereignisse aus. [Ein kurzer Abriss der Geschichte des Yasukuni-Schreins und den um ihn sich rankenden inner- wie außerjapanischen Debatten demnächst auf diesen Seiten!]
Die meisten Vorgänger Koizumis hatten es geflissentlich unterlassen, während ihrer Amtszeit als Ministerpräsident am Schrein zu erscheinen. Jüngst hatte eine Delegation hochrangiger japanischer Wirtschaftskapitäne Koizumi gebeten, aus Rücksicht auf die substanziell empfindlichen Beziehungen zu Japans Nachbarstaaten, künftig auf derartige Gesten zu verzichten.
Die Asahi Shimbun (2) erkennt im jüngsten Urteil des Obersten Gerichtshofs keinen Freibrief für Koizumis mangelnde Sensibilität. Außerdem wird bedauert, das Gericht habe es einmal mehr unterlassen, eine Entscheidung betreffs der klaren Trennung zwischen Religion und Staat zu fällen. Dem Ansehen des Organs als dem Hüter der verfassungsmäßigen Ordnung würde damit kein guter Dienst erwiesen.

Quellen:
(1) Zwei Beispiele:
Kriegsschrein-Besuche Koizumis sind rechtens [Süddeutsche Zeitung (143), 24./25.06.2006, S. 8]
Klage gegen Koizumis Yasukuni-Visiten abgewiesen [Neue Zürcher Zeitung (144), 24./25.06.2006, S. 5]
(2) Koizumi visit to Yasukuni [The Asahi Shimbun, 26.06.2006, Online-Ausgabe]

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