Kriegsfilm mit Moral

Filmtitel: Letters from Iwo Jima
Darsteller: Watanabe Ken, Ninomiya Kazunari, Ihara Tsuyoshi …
Regie: Clint Eastwood, USA 2006

Michael Moore hat vor kurzem geätzt, den US-amerikanischen Verbänden im Irak sei es in einem Zeitraum, in welchem die Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs die Nazis, die Faschisten und die Japaner besiegt hätten, nicht einmal gelungen die wichtigste Verbindung zwischen dem Flughafen und der Stadt Bagdad zu sichern. Als im August 1945 die Waffen auch im pazifischen Raum endgültig schwiegen, fand das Töten ein Ende und die GIs, die später Schokolade unter japanischen Kindern verteilten (genauso wie sie es in Europa taten), mussten nicht in der Angst leben dabei von Selbstmordattentätern in die Luft gesprengt zu werden.

Clint Eastwood hat eigentlich zwei Filme zum gleichen Thema gedreht, denn „Letters from Iwo Jima“ zeigt die japanische Seite von „Flags of Our Fathers“. Und es gelingt ihm damit, was bereits 1930 Lewis Milestone mit der nach wie vor besten Verfilmung des Anti-Kriegs-Romans „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque gelang, nämlich Einblick in die Verhältnisse des einstigen Gegners zu bieten, ohne dem „Wir sind die Guten, ihr seid die Bösen“-Schema zu erliegen.
Das Drehbuch stammt von Iris Yamashita, einer Amerikanerin japanischer Abstammung, das auf der Grundlage von Briefen, die der spätere General Kuribayashi Ende der 1920er Jahre aus den USA an Frau und Kinder in Japan schrieb, sowie auf zahlreichen Bezeugungen japanischer Veteranen von anderen Kriegsschauplätzen erarbeitet wurde. Da sie selbst kein Japanisch spricht, war sie auf die Kooperation mit Übersetzern angewiesen, die sich sehr fruchtbar entwickelte. So konnte sie zum Beispiel herausfinden, dass Baron Nishi auf Iwo Jima stationiert war, ein Mann der 1932 in Los Angeles eine Olympiamedaille in Gold gewonnen hatte und Leute wie Douglas Fairbanks zu seinen Freunden zählte.
Der Film schildert das Geschehen aus der Sicht des Generals Kuribayashi (Watanabe), der mit der aussichtslosen Lage betraut wird das Eiland ohne Luft- und Seeunterstützung [nach dem Fall von Saipan waren die kärglichen Reste der japanischen Flotte taktisch handlungsunfähig] zu verteidigen. Die Idee, sich in die Felsen zu graben, musste er gegen den Widerstand seiner Offiziere durchsetzen, deren Planung die Strandzonen zu halten der Sache allerdings ein rascheres Ende bereitet hätte. Die dazu parallel verlaufende Sichtweise ist die des blutjungen Soldaten Saigo (Ninomiya). [Das Durchschnittsalter der Soldaten beider Seiten betrug, wie später im Vietnam-Krieg, 19 Jahre!] Zu den berührendsten Szenen des Films zählt wohl Saigos Abschied von seiner Frau Hanako, die sich in anderen Umständen befindet und in der Sorge um ihren mobilisierten Gatten (ein bizarres Kommando überbringt Saigo den Einberufungsbefehl) in tiefe Verzweiflung stürzt.
Der Film vermeidet, obwohl es sich um einen Kriegsfilm handelt, die Zeichnung eines großen Schlachtengemäldes. Das ist ihm hoch anzurechnen. Die Kämpfe in ihrer Grauslichkeit und die entsetzlichen Leiden der Verwundeten können authentisch sowieso nicht wiedergegeben werden. Verdienstvoller ist es, Menschen zu zeigen, die sich in ihren Wünschen und ihren Lebensentwürfen nicht so unterscheiden, als dass das die geringste der Quälereien, die sie einander anzutun gezwungen werden, rechtfertigten würde.
Die japanischen Soldaten als Menschen kenntlich gemacht haben bereits Terence Malick in dem Film „The Thin Red Line“ und David L. Cunningham in „To End All Wars“. Letzterer macht auch die widersprüchlichen Positionen innerhalb der japanischen Militärs deutlich. Man fragt sich als Nachgeborener, warum das absehbare Fiasko nie zu einem Zusammenschluss der Einsichtigen geführt hat, warum bis zum Ende die Größenwahnsinnigen das Sagen hatten, die Japan mit allen seinen Bewohnern ihren chauvinistischen Gelüsten geopfert hätten?
Das Opfer, das General Kuribayashi, der einem Waffengang gegen die USA immer ablehnend gegenüberstand, und seine Soldaten auf Iwo Jima brachten, war völlig sinnlos. Die oberste Militärführung hatte ihnen aus der Heimat allein die Rundfunkübertragung eines Kinderchors zur Unterstützung zukommen lassen. Der Gipfelpunkt an Zynismus! Dem grausamen Schlachten auf Iwo Jima folgte ein noch grauslicheres (Okinawa) und die japanischen Städte auf den Hauptinseln wurden durch massiertes Bombardement auf eine Weise verheert, wie es in der Geschichte dieses Landes niemals zuvor der Fall gewesen war.
Als im Mai 1905 in der Seeschlacht vor Tsushima unter Admiral Togo Heihachiro die russische Ostseeflotte vernichtet wurde, nahmen die japanischen Schiffe die Besatzungen der Gegner auf. Die japanische Presse feierte nicht nur das Geschick seiner Militärs, sondern auch seine Menschlichkeit. 30 Jahre später völlig undenkbar.

Der Film „Letters from Iwo Jima“ hat eine deutliche Moral, die nicht nur Japaner, sondern auch Österreicher und Deutsche anspricht: Betrachten wir die Geschichte unserer Länder, so ist das größte Unglück, das ihre Menschen heimsuchte, nicht von außen auf sie eingedrungen, sondern im Innern entstanden und gewachsen.
Die Japan Times Onlineausgabe vom Tage (12.07.2007) berichtet von einer Resolution der Regionalversammlung der Präfektur Okinawa an die Adresse der Staatsregierung in Tokio, die verfälschende Darstellung in den Geschichtslehrbüchern, es hätten auf Okinawa keine durch die japanischen Militärbefehlshaber veranlassten Massenselbstmorde stattgefunden, umgehend zurückzunehmen.



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