Beziehungen zwischen Deutschland und Japan in der Zeit des Nationalsozialismus

Buchtitel: SS und Samurai. Deutsch-Japanische Kulturbeziehungen 1933 – 1945
Autor: Hans-Joachim Bieber
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2014
ISBN 978-3-86205-043-7

Manche Abhandlungen machen einen schon allein ob ihres Umfanges staunen. Nicht zu schweigen vom Aufwand, den der Verfasser / die Verfasserin betrieben haben muss. Bedenkt man außerdem, dass „akademisches Fortkommen“ selten als streng aufeinanderfolgendes Abarbeiten von Themen sich abspielt, sondern eher als Übernahme mehrerer Verpflichtungen zur gleichen Zeit, kann man über das Wie des Gelingens schon ins Grübeln geraten.
Der Historiker Hans-Joachim Bieber, selbstredend kein Japanologe, hat das gegenwärtig gültige Standardwerk zu den deutsch-japanischen Kulturbeziehungen in der Zeit des Nationalsozialismus vorgelegt, das gerade einmal durch ein vertiefendes Pendant über die japanisch-deutschen Kulturbeziehungen in gleicher Ära ergänzt werden möchte. Vielleicht mag es künftigen Arbeitern an derselben Stelle im Steinbruch der Geschichte gegeben sein in jene Archive Einsicht zu nehmen, die Bieber für seine Recherchen verschlossen geblieben sind, das eine oder andere mag vielleicht noch detaillierter verfolgt und manches an offenen Fragen einer Klärung näher gebracht werden, aber an diesem Buch für lange Zeit herumzukommen wird keinem an der Materie Interessierten unterlaufen.
Der eigentliche Betrachtungszeitraum tritt im Buch ab Seite 153 in den Fokus. Zuvor hat man geliefert bekommen: eine fundierte Zusammenschau der Entwicklungen der zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland, nach der erzwungenen Öffnung durch den Coup der Schwarzen Schiffe. Wie asymmetrisch sich dieses Verhältnis formte, dank Ressentiments und gelegentlichen Verstimmtheiten, sowie Ereignissen von weltpolitischem Rang, das nachzulesen ist hochinteressant. Unsereiner hängt sich ja gern an Details auf. Da fällt die Tatsache auf, dass noch Ende der 1920er Jahre die Zahl der Deutschen, die nicht nur Kenntnisse der japanischen Sprache besaßen, sondern sie tatsächlich auch sprechen konnten, verschwindend war im Vergleich zu Japanern, die des Deutschen mächtig waren.
Die Person des ersten Geschäftsträgers der deutschen Vertretung in Tokio nach dem Ersten Weltkrieg, Wilhelm Solf, böte Stoff für einen Roman. Sich selbst am falschen Ende der Welt wähnend, wo ihm zudem ein frostiges Willkommen entgegenschlug, empfahl er sich bald als der Mann mit dem richtigen Instinkt. Einer, der größtes diplomatisches Geschick entwickelte und dem 1928 beim Rücktritt von seinem Amt die japanische Presse konzedierte, „dass noch niemals einem scheidenden Diplomaten so viel Hochachtung und Verehrung bezeugt worden sei“(Munzinger-Archiv).
Bieber erwähnt auch die in ein Buch eingeflossenen Japan-Eindrücke der ehemaligen österreichischen Kriegsreporterin Alice Schalek (dieselbe, die Eingang in die Personage des Kraus’schen Marstheaters „Die letzten Tage der Menschheit“ gefunden hatte).
Nach der Machtergreifung sorgten die „Nürnberger Rassegesetze“ für erhebliche Irritationen in Japan (und freilich nicht nur dort). Die Ereignisse in der Mandschurei und die Etablierung des Marionettenstaates Mandschukuo wurden zunächst noch nicht von den Vorgaben einer gleichgeschalteten Berichterstattung geprägt. Erst allmählich redete man der „japanischen Raumnot“ das Wort und konstruierte eine Analogie zur behaupteten Lage des deutschen Volkes. Wachsenden Interesses erfreuten sich japanische Kampfsportarten und so verwundert es nicht, „dass 1934 (…) in Dresden die erste Europameisterschaft in Jiu Jitsu ausgetragen“(S. 22) wurde. Bieber erwähnt so manche publizistische Pretiose (des Grauens). So feierte etwa Ernst Jünger 1934 den neuen japanischen Menschenschlag in der Gestalt des Generals Nogi, der den „Soldatentod seines Sohnes mit tiefer Zufriedenheit begrüßte“(S. 270). [Dass der Apologet des Reüssierens in Stahlgewittern die Nachricht vom „Heldentod“ des eigenen Sohnes in Oberitalien dann sehr viel verhaltener aufnehmen sollte, stand natürlich auf einem anderen Blatt.]
Eine an den Haaren herbeigezogene Gleichsetzung des Geistes der Samurai und der SS wurde erstmals Mitte der 1930er Jahre in der Hauspostille des schwarzen Korps kolportiert, eben unter geflissentlicher Ignoranz von Fakten. Mit denen nahm man es dann auch späterhin nicht mehr so genau, als man im Zen-Buddhismus „arisches“ Gedankengut zu erkennen glaubte.
Der Hitler-Stalin-Pakt sorgte, wie dessen Kurzlebigkeit, für einen ebenso vorübergehenden Dämpfer im beschworenen deutsch-japanischen Schulterschluss. (Immerhin hatte man ja mit Pomp den sogenannten Antikominternpakt paraphiert.) Aber sowohl der deutsche Überfall auf die Sowjetunion, als auch der japanische Angriff auf Pearl Harbor und der damit einsetzende Pazifische Krieg unterbanden jeden weiteren direkten Austausch zwischen den beiden Ländern. (Der trotz vielfältiger wie langwieriger Anbahnung nie jene Intensität gewonnen hatte, die man in blumigen Reden statuierte.) Dass dann die nationalsozialistische Propaganda japanische Siege feierte als sie längst nicht mehr vorkamen, war dem gleichen Ungeist verwandt, der wiederholt das rasche Zusammenbrechen der Sowjetunion prophezeite, zu einem Zeitpunkt, da bereits nichts unwahrscheinlicher war. Der Selbstmord des Diktators in Berlin wurde in Tokio mit Verachtung zur Kenntnis genommen, die Kapitulation Deutschlands allerdings nicht als Fanal für die eigene Hybris gedeutet.
Die Wiederaufnahme der vollen diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan kam 1955 zuwege, aber „erst 1970 entstand das Japanische Kulturzentrum in Köln“(S. 1132). Der Schwulst behaupteter Gemeinsamkeiten, wo keine bestanden, der die Weltkriegsepoche gezeichnet, hatte sein Ablaufdatum nicht überdauert, die kulturellen Beziehungen wurden auf völlig neue Grundlagen gestellt. Bieber verabsäumt es nicht, diversen Karrieren nach 1945 nachzuspüren. Und man findet auch da einiges, das einen nachdenklich stimmen muss. Etwa der Erfolg eines bestimmten Buches Eugen Herrigels. Ein Mann, der es (wie zu viele andere) verstanden hatte seine Vergangenheit zu vernebeln: „Von Selbstkritik wegen seiner Elogen auf den Nationalsozialismus findet sich in seinen Schriften keine Spur.“(S. 1117)



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