Kulturland Japan

Buchtitel: Was vom Japaner übrig blieb. Transkultur – Übersetzung – Selbstbehauptung
Autorin: Irmela Hijiya-Kirschnereit
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2013
ISBN 978-3-86205-250-9

Eine Sammlung von Aufsätzen der Doyenne der deutschen Japanologie, salopp formuliert. In der Tat ist das Ganze aber mehr als die Summe seiner Teile. Eine Befassung mit Aspekten japanischer Alltagskultur etwa. Was verraten uns Aufschriften in europäischen Sprachen auf T-Shirts und Gebrauchsgegenständen über die Exotismussehnsucht der Japaner? Wenn man die in zum Teil graphischer Anordnung affichierten, mitunter recht sinnfreien Textcorpora wortwörtlich nimmt, gar nichts. Hijiya-Kirschnereit hat eine Sammlung derartiger Gebrauchs-/Verkaufstexte untersucht und lässt ihr Resümee in einem gewissen Amüsement ausklingen (S. 92 ff.) [Das eingangs und abschließend angeführte Zitat, wonach ein vergnüglicher Tag einen Start ins erfüllte Leben verheißt, greift auch Mishima Ken’ichi in seiner Laudatio auf IHK auf, in der Festschrift anlässlich ihres 60. Geburtstages, München 2008.]
„Lost in Translation“ ist auch in naheliegendem Zusammenhang ein Thema. Nämlich in der Übertragung von literarischen Texten japanischer Autorinnen und Autoren. Die einstige Betreuerin des Verlags-Projektes „Japanische Bibliothek“, in deren Rahmen Vertreter der Gattungen aus den Jahrhunderten einem deutschsprachigen Lesepublikum schmackhaft gemacht wurden, ist sich gewiss, dass jede Zeit ihre eigene Übersetzung hat. Beispielhaft festgemacht wird das anhand eines Bekenntnisses der Hofdame Ukon aus dem 10. Jahrhundert (S. 27 f.), deren „psychologische Raffinesse“ besonders in der jüngsten Übertragung zutage tritt. Im Übrigen sollte im Umgang mit japanischen Gedichtformen nicht länger von Silben, sondern von Moren gesprochen werden (S. 30), deren Anordnung sich jeweils in einem bestimmten Zahlenverhältnis zueinander befindet.
Ein weiterer Aufsatz beschäftigt sich mit einer zeitgenössischen Entsprechung der Gattung des sishōsetsu am Beispiel einer Erzählung der Autorin Hayashi Mariko.
Der als japanischer Autor wahrgenommene britische Schriftsteller Kazuo Ishiguro, dessen Romane mitunter in Japan handeln, bildet ein Japan „der historischen Ungenauigkeiten und falschen Details“(S. 147) ab, an denen sich ein „westlicher“ Leserkreis mangels Hintergrundwissen nicht stößt. Die Japanologin wundert sich allerdings darüber, dass selbst die Leserschaft der Übertragung ins Japanische Unrichtigkeiten nicht krumm nimmt und Ishiguro als einen der Ihren vereinnahmt, dem sogar Ōe bescheinigt, den Europäern ein korrekteres Japanbild vorzuführen als etwa Mishima (S. 146).
Dem Rubrum der fröhlichen Wissenschaft gehörig, wähnt man eine Studie unter dem Titel „Der patriotische Gaumen“. Geht es doch zunächst um Kulinarisches in der Werbung für Dinge, die mit allem möglichen zu tun haben, außer mit dem Essen. Die patriotische Konditionierung der Japaner scheint soweit gediehen, dass über den Umweg der Verständigung über die Einmaligkeit der japanischen Küche, die damit beworbenen Produkte ebenfalls als urjapanisch oder original japanisch aufzufassen gelingt. Dass der dabei zutage tretende Nationalismus ironische Züge annehmen kann, beweisen eine bentō-Box, deren Inneres als hinomaru drapiert ist, oder der Miniatur-Fuji als ein mit schwarzem Sesam bestreuselter Reiskloss.
Dem Umgang mit Attributen aus der Vergangenheit, der tatsächlichen wie der imaginierten, als Elemente von Selbstentwürfen, spürt die Autorin in der Befassung mit der sogenannten wa-mono-Mode nach. Den Besonderheiten der Vergangenheitsbewältigung, für die der japanische Ausdruck sensō sekinin, „Kriegsverantwortung“(S. 247) steht, im literarischen Schreiben widmet sich ein weiterer Beitrag. Schließlich wird noch in einer Notiz auf den Widerhall des Nanking-Massakers in einer Kurzerzählung Mishimas eingegangen. Diese Zeilen möchte man dem Rechtsaußen-Politiker Nakayama Nariaki nahelegen, der jüngst während einer Parlamentsdebatte ankündigte, sich bald des „Zwischenfalles“ annehmen zu wollen.



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