Der japanische Kaiser

Buchtitel: Der Tennō. Grundlagen des modernen japanischen Kaisertums
Autor: Ernst Lokowandt
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2012
ISBN 978-3-86205-136-6

Christoph Neidhardt führt Japans Kaiser in der Süddeutschen Zeitung vom 22.3.2012 [„Unfassbarer Reichtum“, SZ (69), S. 23] als einen der teuersten Monarchen der Welt an. Allein: „Das kaiserliche Hofamt beschäftigt über tausend Beamte, sein Jahresbudget beträgt 10,7 Milliarden [Euro].“ Alle Welt kennt den amtierenden Tennō als freundlich lächelnden, sich bescheiden gebenden, älteren Herrn und meint um die Seelennöte seiner Schwiegertochter zu wissen. Aber was ist der japanische Kaiser im Grunde genommen wirklich anderes als die Verkörperung eines Mythos, die Fortschreibung einer auf ewig währenden Dynastie?
Ernst Lokowandt verfranst sich in seinen Ausführungen weder in der Geschichte, noch in der Interpretation behaupteter Divinität. Sein Hauptaugenmerk gilt der Darlegung der Grundlagen des modernen japanischen Kaisertums, wie es im Untertitel dieses Buch lautet. Auch das ist kompliziert. Im Vergleich nimmt sich die Legitimation führender europäischer Adelshäuser vermittels spitzfindiger staatsrechtlicher Herleitungen als geradezu stimmig aus. An Kritik am Kaisertum ist es dem Autor nicht zu tun, wiewohl er dessen Vorhandensein anmerkt. Es scheint, als könnte er dieser Repräsentanz ohne pomphafte Prachtentfaltung etwas abgewinnen, das als Markenzeichen, als ein Emblem der japanischen Nation verfangen kann (entsprechend Artikel 1 der heutigen japanischen Verfassung). Mag auch die Kaiserfamilie an Interesse gerade bei jüngeren Menschen verlieren. Von seinem Bentley würde dennoch niemand die charakteristische Kühlerfigur weghaben wollen.
Lokowandts konzises Buch ernüchtert, wenn man sich einen japanischen Kaiser in der Manier des Alten Fritz („Erster Diener des Staates“) vorstellt, der tatsächlich Aufgaben wahrnimmt und nicht als Strohmann eines mehr oder weniger der Öffentlichkeit entzogenen Zeremoniells agiert. Zwar wird der Tennō der Meiji-Zeit als integraler Bestandteil der Ideologie der Restauration eingeführt, welche aber immer nur an seiner Statt artikuliert und verhandelt wird. In effigie der Realperson agieren Geheimer Staatsrat und Kabinettsminister, der Kaiser selbst wird zum Pappkameraden sich verbergender ‚höherer’ Interessen. Allein die Beschwörung des Staats-Shintō, die Konstruktion eines weitestgehend neuen Verständnisses des Shintō, hält für den Außenbetrachter den Charakter von reinem Zinnober.
Mit der Kapitulation Japans 1945 werden die gesellschaftlichen Verhältnisse auf eine neue Grundlage gestellt (Auflösung des Militärs, Bodenreform, Abschaffung des Adels…), der Tennō politischer Vereinnahmung entzogen, die Volkssouveränität in der Verfassung verankert. Dass bestimmte Shintō-Zeremonien (wie das niinamesai) nur vom japanischen Kaiser durchgeführt werden und er sich durch diese zu dem macht, was er ist, gleichwohl mit ihnen aber keine Staatsakte gesetzt werden, eröffnet ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen Verfassungswortlaut und Wirklichkeit.
„Der Tennō enthält sich jedweder Meinung. Der Tennō vereint das Volk nicht durch Führung oder eine bestimmte Handlung, er tut es vielmehr durch seine Existenz.“(S. 140)
Fazit: Tennō sein ist nicht unbedingt ein beneidenswerter Job. Er kann sich nicht wie unsereins im Biergarten der Sapporo Brauerei zwanglos einige Krüge ins Regal stellen. Und in Sachen ‚Outfit’ bindet ihn auch die Etikette. Die britische Königin hat mehr Spielraum, und Auslauf sowieso.
Ernst Lokowandt hat hiermit ein sehr lesbares Grundlagenwerk vorgelegt.



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