Erschütterungen eines Berichterstatters

Buchtitel: Das japanische Desaster. Fukushima und die Folgen
Autor: Johannes Hano
Verlag, Erscheinungsjahr: Herder, 2011
ISBN 978-3-451-30544-3

Vorneweg: Auch ich bin kein Experte. Aber Katastrophen von einem Ausmaß, dass sie die menschlichen Möglichkeiten der Kompensation von Schäden auf Generationen hinaus verunmöglichen, lassen es mir flau im Magen werden. Selbst wenn sich das Szenario ganz weit weg zuträgt. Die Auswirkungen der Flutwelle des Großen Ostjapanischen Bebens, die Verheerungen und die menschlichen Opfer, sind schon schrecklich genug. Die Havarie im Kernkraftwerk von Fukushima Daiichi und wie im Banne dieser Ereignisse ‚Problembewältigung’ betrieben wird, erscheint dann als Steigerung des Horrors. Wohlgemerkt – von sicherer Entfernung aus betrachtet! Wie es zugeht, wenn ein deutscher Nachrichtenmann zum Zeitpunkt des Geschehens sich in Japan aufhält, um genau darüber zu berichten, schildert dieses im Resonanzraum der unmittelbaren Eindrücke geführte Tagebuch. Der Wert der Darstellung liegt meines Erachtens gerade in dieser Authentizität, der Angreifbarkeit der Bericht erstattenden Person, welche die zuweilen etwas abgehoben und besserwisserisch erscheinende Distanziertheit, mit Hilfe derer Professionisten des Fernsehjournalismus, die von einem Schauplatz zum nächsten rasen, sich für gewöhnlich gegen die Überwältigung durch die Bilder immunisieren (müssen), vermissen lassen. Da mag einem das eine oder andere als Aufgeregtheit ankommen, als etwas dick aufgetragen und die fehlende stilistische Brillanz ins Auge springen – aber in Vergegenwärtigung der Schrecknisse zeugte solcherart daran Anstoß zu nehmen von Borniertheit. Die Fassungslosigkeit als Reaktion auf die Informationspolitik des Atomkraftwerksbetreibers Tepco wird nahezu greifbar: „Das Informationsdurcheinander raubt uns langsam die letzten Nerven.“(S. 62). Dennoch sind Hano und seine Leute bemüht in der Atomkrise einigermaßen Überblick zu gewinnen. Eine „Atomkrise, deren wahres Ausmaß sich den Japanern später enthüllte als dem Ausland“(Petra Kolonko, NZZ (199), 27.8.2011). In der Japan Times vom 24.8.2011 wird Universitätsprofessor Kodama Tatsuhiko mit folgendem alarmierenden Befund zitiert: „… radiation from Fukushima will only decrease by one-tenth per year, which is about 100 times slower than radiation from the bomb.” [Gemeint ist Hirsohima.] Am 29.8.2011 berichtet Christoph Neidhart in der Süddeutschen Zeitung: “Orte, in denen die derzeit gemessene Strahlung 200 Millisievert pro Jahr übertrifft, bleiben mindestens 20 Jahre gesperrt (…)“ [SZ (198), S. 10].
Johannes Hano besucht Überlebende aus Minamisanriku, das der Tsunami dem Erdboden gleichgemacht hat. „In der Stadt, in der noch vor etwas mehr als einer Woche rund 20.000 Menschen lebten, steht nur noch das vierstöckige Krankenhaus.“(S. 141) Und er spricht mit Menschen aus der Evakuierungszone, deren Häuser zwar durch das Erdbeben keinen Schaden genommen haben, die jedoch aufgrund der radioaktiven Kontamination nicht mehr betreten werden können. Er begegnet Menschen, die alles verloren haben. Ein erschütterndes Dokument!



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