Umweltbewegung und Wirtschaft in Japan

Buchtitel: Ungleiche Partner, gleiche Interessen? Kooperationen zwischen Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Umweltorganisationen in Japan
Autorin: Susanne Brucksch
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2011
ISBN 978-3-86205-035-2

In Anbetracht der Ereignisse in Japan im Frühjahr 2011 beantwortet sich die Frage nach der Relevanz einer Untersuchung wie der vorliegenden, mit der ihre Verfasserin 2010 an der Universität Halle dissertierte, von selbst. Verfrüht wäre es allerdings, dem pessimistischen Schlusssatz, mit dem die Arbeit ausklingt, durch Lehren, die aus der Katastrophe von Fukushima gezogen werden könnten, eine verkürzte Gültigkeitsfrist zu setzen.
„Japan galt Ende der 1960er Jahre als meistverschmutztes Land der Welt.“[Coulmas/Stalpers, 2011] Dass sich die Situation 50 Jahre später etwas anders darstellt – ist es einer japanischen Ökobewegung einerseits, umweltbewusst gewordenen Industriegiganten andererseits, sowie wechselseitiger Beeinflussung geschuldet? Susanne Brucksch nimmt einem solche Illusionen gleich. Denn im Gegensatz zu etlichen Beispielen in den USA oder Europa gelang es Umweltaktivisten in Japan „bisher kaum, sich im politischen Willensbildungsprozess als einflussreiche Interessengruppen zu etablieren“(S. 18). In den Nachkriegsjahren trat die japanische Umweltbewegung zunächst als „Opferbewegung industrieller Umweltverschmutzung“(S. 71) in Erscheinung. Heute können rund 3000 Organisationen gezählt werden[vgl. S. 75], die indes einen „vorwiegend kooperativen Stil“ pflegen, „der den kritischen Stil vieler westlicher Organisationen konterkariert.“[S. 77] Neben der „hohe[n] Fragmentierung der japanischen Umweltbewegung“[S. 76], ist auch deren Handlungsbeschränkung „aufgrund des Mitgliedermangels“[S. 216] kennzeichnend, insofern es sich nicht um Ableger internationaler Organisationen, wie dem WWF Japan handelt. Das theoretische Fundament, auf welchem die Studie basiert, ist der „Theorie der Tauschsysteme nach James Samuel Coleman“[S. 45 ff.] verpflichtet. Die Autorin erarbeitet Hypothesen, deren Stichhaltigkeit sie anhand von Untersuchungsergebnissen überprüft. Eine quantitative Datenanalyse vermittels Fragebogenerhebung von avisierten 214 Unternehmen hat allerdings nur 65 verwertbare Fragebögen gezeitigt. Dennoch ist an der Repräsentativität der Aussagen nicht zu zweifeln. Japan hat als ein Land, in dem ‚Corporate Social Responsibility’ von einer rhetorischen Ebene in eine allgemeine Handlungspraxis überführt wird, noch viel Potential. „Ingesamt findet sich (…) kein Indiz, dass japanische Umweltorganisationen in der Gegenwart öffentlichen Druck auf die betrachteten Unternehmen ausüben (…)“[S. 230].
Ob sich das in absehbarer Zukunft, initiiert durch die aktuellen Ereignisse ändern wird? Christoph Neidhart [Korruption, die vom Himmel fällt. Atomkonzerne in Japan. Süddeutsche Zeitung Online, 3.4.2011] wies unlängst auf Folgendes hin: „Die wichtigste ungenutzte Energiequelle Japans ist die Erdwärme.“ Für Organisationen, die mit ihren umweltrelevanten Anliegen Politik wie Wirtschaft gleichermaßen in den Ohren lägen, gäbe es demnach genug zu tun.
Was Japan in solcher Angelegenheit noch alles zu wünschen bleibt, dafür hat Susanne Brucksch mit ihrer Untersuchung jedenfalls eine profunde Grundlage geliefert.



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