Fake, facts and fiction

Buchtitel: Blut als Tinte. Wirkungs- und Funktionsmechanismen zeitgenössischer shishōsetsu
Autorin: Elena Giannoulis
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2010
ISBN 978-3-86205-248-6

Studien im Bereich der Kulturwissenschaften sehen sich gelegentlich mit dem Vorwurf konfrontiert sie würden Forschungen in Orchideenfächern betreiben. Deren Mehrwert dann natürlich auch noch zu hinterfragen anstünde. Man kennt das Elend! Als wäre der Nutzen von wissenschaftlicher Arbeit mit dem Lineal nachzumessen, und zwar annähernd so wie der Viktualienhändler seine Auslegware kategorisiert. Das vorliegende Buch, eine überarbeitete Version der Dissertation der Autorin, sei nicht nur den Koryphäen der Materie anempfohlen, sondern ebenso den Literatur- und Sozialwissenschaftlern, denen die Japanologie im Allgemeinen, sowie ein bestimmtes Genre innerhalb der japanischen Literatur im Besonderen nicht so geläufig sind. Denn die Autorin macht immer wieder deutlich, dass der Ich-Roman unter der Bezeichnung shishōsetsu zwar besonders in Japan seine typische Ausprägung fand und findet, durchaus aber mit Erscheinungen in anderen Literaturen verglichen werden kann. Und was die Inszenierung von Selbstsein und Evokation von Authentizität betrifft, sprengt das Phänomen sowieso die Grenzen der Gattung [wenn man nur an Künstlerinnen wie Sophie Calle oder Nikki S. Lee denkt]. Von den Verhaltensauffälligkeiten gewöhnlicher Identitätssuchender im Medienzeitalter ganz abgesehen. Die theoretische Auseinandersetzung mit der dargelegten Form von zeitgenössischer Literatur ist also über sie hinausweisend fruchtbar und spannend. Elena Giannoulis übernimmt die in der Forschung zum shishōsetsu u. a. von Hijiya-Kirschnereit in deren Habilitationsschrift erarbeitete Begrifflichkeit, berücksichtigt eingehend die japanische Auseinandersetzung und befeuert die Diskussion schließlich mit einem Vorschlag zur Überwindung der kanonisierten Interpretation, indem sie das Augenmerk vom Konzept der Authentizität zu einem der Authentizitätseffekte hin verlagert. Am Beispiel von Schriftstellerinnen wie Kanehara Hitomi und deren Erfolgstiteln [es gibt gegenwärtig zumindest zwei deutschsprachige Übertragungen der Akutagawa-Preisträgerin] wird die Vorgehensweise verdeutlicht.
Eine stimulierende Befassung!



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