Japanisches Kino einst und jetzt

Buchtitel: Japanese Cinema
Autor, Herausgeber: Stuart Galbraith ; Paul Duncan
Verlag, Erscheinungsjahr: Taschen, 2009
ISBN 978-3-8228-3157-1 (Dt. Ausgabe)
ISBN 978-3-8228-3156-4 (Engl. Ausgabe)

Der japanische Film lebt! [Der koreanische übrigens auch!] Was weniger durch grottenschlechten Müll a la „Yo-Yo Girl Cop “ unter Beweis gestellt wird, sondern durch eine Tatsache wie diese: Auf der jüngsten Berlinale (der 60.) hat die japanische Schauspielerin Terajima Shinobu für ihre Rolle in dem Film „Caterpillar“ von Wakamatsu Koji (der nicht gerade für Zartbesaitete zu drehen scheint, wenn man sein Œuvre überblickt und bedenkt, dass er als der eigentliche Vater des bisweilen ziemlich schmuddeligen „pinku-eiga“-Genres gilt) den Silbernen Bären (beste Darstellerin) erhalten. [Die dem Film zugrunde liegende Kurzgeschichte von Edogawa Rampo erinnert ein wenig an Dalton Trumbos „Johnny Got His Gun“, erschien jedoch zehn Jahre vor dem amerikanischen Roman.] Der Regisseur Yamada Yoji erhielt die Berlinale-Kamera.
Nun gilt es ein Buch in die Hand zu nehmen, das ein wenig die Geschichte des japanischen Filmschaffens erhellt. Weil man sonst noch glauben könnte, die Chose wäre erst mit Kurosawa so richtig losgegangen. Grundfalsch halt! Allein die japanische Filmproduktion der Stummfilmära ist beachtlich und konnte mengenmäßig zeitweilig sogar die US-amerikanische in den Schatten stellen.
Das durchgängig illustrierte Buch bietet eine Fundgrube an Informationen. Dass etwa Regisseur Kobayashi Masaki bereits Ende der 1950er Jahre in seinem Film „Barfuss durch die Hölle“ („Ningen no jōken“) die japanischen Kriegsverbrechen in China offen thematisierte, war mir, wie vieles andere, nicht geläufig. Überhaupt macht einem das Buch lange Zähne auf Filme, die man in unserer Weltgegend nicht einmal auf DVD bekommt. Beispielsweise wäre es der Dokumentarfilm „Vorwärts, Armee Gottes!“ („Yuki yukite shingun“) von Hara Kazuo, aus dem Jahr 1987 wert, oder „Die Frau in den Dünen“ („Suna no onna“) von Teshigahara Hiroshi aus 1964.
Ausführlich werden die Genres „kaijū-eiga“ (Monsterfilme), mit oft geradezu hanebüchenen Machwerken, „kaidan-eiga“ (Geisterfilme), „ninkyō-eiga“ (Samurai-Filme, die die ‚ritterlichen Prinzipien’ etwas penetrant überstrapazieren), „jidai-geki“ (Historienfilme) und „chanbara“ (Schwertfilme), sowie natürlich anime abgehandelt. Dabei erfährt man einiges über Filmemacher (wie Gosha Hideo, der die Heuchelei des ‚bushidō’ immer wieder entlarvte) und Schauspieler wie Schauspielerinnen (z.B.: Miyamoto Nobuko, Kita Akemi oder Mizuno Kumi), denen im ‚Westen’ nie die Aufmerksamkeit zu erringen gelungen ist, die sie durchaus verdient hätten.
Kein Geringerer als Mishima Yukio verkörperte 1968 die Rolle einer lebenden Statue in dem Film „Schwarze Eidechse“ („Kurotokage“) von Fukusaku Kinji, dessen letztes Werk schließlich „Battle Royale“ („Batoru rowaiaru“) wurde. Ein Streifen, „der sowohl von der Filmzensur als auch von Mitgliedern des japanischen Parlaments scharf kritisiert wurde.“(S. 167) Vielleicht ein wenig zu Unrecht macht der inzwischen Furore unter Freaks.
Zum scheußlichen „Pseudo-Snuff-Movie“ „Ichi, der Killer“ („Koroshiya 1“) des manisch produktiven Miike Takashi findet sich folgende treffende Einschätzung: „Dieser Film ist, weil ihm wirklich jede Menschlichkeit abgeht, einfach nur monströs.“(S. 168)
Dass Filme über die Yakuza zu machen, die nicht den gängigen Klischees folgen, lebensgefährlich werden kann, musste Itami Jūzō am eigenen Leib erfahren. Der Regisseur von Komödien wie „Beerdigungszeremonie“ („Osōshiki“, 1984) wurde kurz nach Uraufführung seines Films „Die Kunst der Erpressung“ („Minbō no onna“) 1992 das Opfer eines Messerattentäters.
Dass die jüngste Zatōichi-Imitation unserer Tage, nämlich „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“ (2008) von Sori Fumihiko sang- und klanglos entschwundene Vorgänger hatte, verdeutlicht einem auch keiner – außer dieses Buch: 1969 startete „Die blinde Schwert schwingende Frau“ („Mekura no Oichi monogatari – Makkana nagaredori“), der noch zwei weitere Filme gleicher Machart folgen sollten. Von den Zuschauern nicht eben wohlwollend aufgenommen, konnten sie sich mit den richtigen Zatōichi-Filmen allerdings nicht messen.
Wer aus Jim Jarmusch’ Film „Ghost Dog“ jene Szene erinnert, da der von Forest Whitaker dargestellte Killer mit Samurai-Tick einen Schuss aus dem Gewehr nur deshalb unterlässt, weil sich ein Singvogel am Schalldämpfer niederlässt, sollte wissen, dass sich diese Konstellation zuvor schon in einem japanischen Film fand: In „Beruf Mörder“ („Koroshi no rakuin“) von Suzuki Seijun war es 1967 allerdings ein Schmetterling.
Dieses Buch ist für Cineasten ein Muss!



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