Beeindruckendes Wörterbuch-Projekt

Buchtitel: Großes japanisch-deutsches Wörterbuch Band 1, A – I
Herausgeber/innen: Jürgen Stalph, Irmela Hijiya-Kirschnereit, Wolfgang E. Schlecht, Kōji Ueda
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2009
ISBN 978-3-89129-988-3

Lexikonverlage haben sich in den letzten Jahren zunehmend davon verabschiedet ihre Werke weiterhin in gedruckter Form zu veröffentlichen. Wo Online- oder CD-ROM-Versionen zuvor die parallelen Ausgaben bildeten, fungieren sie nunmehr immer häufiger als die einzigen. Die Vorteile, solche a jour zu halten, scheinen bei elektronischen Werken offensichtlich. Etwa wenn man sich vor Augen führt, dass der 2009 als zweibändiges Jahrhundertmonument erschienene „Historical Thesaurus of the Oxford English Dictionary“, der 45 Jahre bis zu seiner Fertigstellung benötigte, mit dem Tag seines Erscheinens zu veralten begann. [Dennoch gilt zweifelsfrei, was Steven Poole in The Guardian festgehalten hat, dass dieses Werk „one of the last great printed reference works“ darstellt!]
Büchern eignet, meiner Meinung nach, ein entscheidender Vorteil: Um aus ihnen schlau zu werden benötigt man allein Licht, damit man auch die Hände vor Augen sieht, die sie halten, sowie das Verständnis der jeweiligen Sprache(n). Auch scheint mir die Weise, wie man in einem Wörterbuch blätternd, unerwartete Funde machen kann, nicht auf eine elektronisch gestützte Datenbank übertragbar. [Vom haptischen Moment ganz zu schweigen!]

Wenn vorhin schon von einem Monumentalwerk die Rede war – auf diesen ersten Band des auf drei angesetzten japanisch-deutschen Wörterbuchs, trifft das gewiss genauso zu. Vor den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Deutschland und Japan, wie auch vor den Förderern und Gönnern dieses Unterfangens kann man sich nur verneigen. Das Vorwort hält wahrscheinlich lediglich eine Auswahl der Herausforderungen fest, denen sich zu stellen die Verantwortlichen nicht gescheut haben, um alles erfolgreich auf den Weg zu bringen.
Ein wirklich umfangreiches, um nicht zu sagen erschöpfendes japanisch-deutsches Wörterbuch hat bislang gefehlt. Zwar ist Langenscheidts „Großwörterbuch Japanisch-Deutsch“ nach wie vor erhältlich, es handelt sich dabei allerdings um ein Zeichenwörterbuch, das Lernenden, die mit den Kanji zu kämpfen haben, deutlich weniger unter die Arme zu greifen vermag, als das „Universal-Wörterbuch Japanisch“ im Pocket-Format vom selben Verlag. [Das recht taugliche „Lernwörterbuch Japanisch“, ebenda erschienen, ist in den Verzeichnissen seit geraumem bedauerlicherweise als vergriffen gelistet!]
Damit ist ein erster Vorzug des vorliegenden Werkes benannt: Es ist einem bereits dann von Nutzen, wenn man sich die Lesarten der sino-japanischen Schriftzeichen noch nach der Lenin-Methode („Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück“) einverleibt – die Stichworte sind nämlich alphabethisch (no na!) in Lateinumschrift angeordnet!
[Mag sein, dass es dadurch Japanerinnen und Japanern, die mit der deutschen Sprache bereits vertraut sind, eher entgegenkommt, als denjenigen, die sie zu erlernen erst ansetzen.]
Bei der Erstellung des Wörterbuchs wurde besonderes Augenmerk auf die Gegenwartsprache gelenkt, einschließlich des Slangs der Jugendsprache(n). So findet sich beispielsweise der Begriff „ganguro“(S. 1353) als der verwegene Make-up-Stil der Kogals (jap.: kogyaru) erklärt. Aber auch Rotwelsch-Ausdrücke und Fachbegriffe fanden Eingang. Es ist „damit ein breit angelegtes Allgemein- und zugleich ein alle wesentlichen Fach- und Technikbereiche dokumentierendes Spezialwörterbuch.“(Vorwort, S. 9)
Neben den deutschen Entsprechungen und der Umschrift in die gängige japanische Schreibweise der zunächst in Romaji angeführten Wörter, überzeugen vor allem auch die Beispielsätze (es wird aus Literatur und Tageszeitungen zitiert), die den Wortgebrauch im Kontext zu verstehen helfen. Dass dafür eine Beherrschung der Kanji zweckdienlich ist, soll nicht verschwiegen werden. Auch, dass sich damit der Gebrauchswert des Buches zusätzlich erhöht. So findet sich etwa unter dem Eintrag „honshiki“ (S. 2134) ein Satz aus dem Roman „Kokoro“ von Natsume Sōseki angeführt, das Verfertigen von Examensschriften betreffend, den zu beherzigen nicht nur Ich-Erzählern zur Ehre gereichte.

Zuletzt: Wem ist dieses Wörterbuch als Anschaffung zu empfehlen? Wer sich von dessen Preis in die Bredouille bugsiert fühlt, dem sei gesteckt, was Steven Poole für den Erwerb des oben erwähnten Thesaurus empfiehlt: Es wird noch für lange das Standardwerk schlechthin bleiben!
Der Nutzen für Lernende der japanischen Sprache steht fest. Auch Institutionen, Bibliotheken wie Büchereien, mögen es sich besorgen. In den Redaktionen sämtlicher über Japan und japanische Kultur berichtenden Medien sollte es keinesfalls fehlen. Es kann selbst denen, die mit der Sprache wenig vertraut sind, etwa zur Bedeutungsüberprüfung und Herleitung von Wörtern, die als Neologismen aus dem Japanischen oder im Japanischen daherkommen, vorzügliche Dienste leisten.
Dem Wörterbuch sei also die weiteste Verbreitung gegönnt!



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