Regionale Entwicklungen und Ungleichheiten

Buchtitel: Regionalentwicklung und regionale Disparitäten. (Japanstudien Bd. 20)
Herausgeber: Volker Elis und Ralph Lützeler
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2008
ISBN 978-3-89129-383-6

Die Jahrbücher des Deutschen Instituts für Japanstudien bilden seit geraumem wichtige Referenzwerke für alle, die sich über zeitgenössische Phänomene in Japan informieren wollen. Vornehmlich einschlägig publizierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorbehalten, kann man sich als Laie auf die Seriosität der darin versammelten Arbeiten ungeschaut verlassen.
Der vorliegende Band widmet sich regionalen Veränderungen vor dem Hintergrund von ‚Landflucht’, Überalterung der Gesellschaft und ungebrochenem Wachstum der größten Megalopolis. Wachstumszonen in einer Ära schrumpfender Bevölkerungszahlen gehen zu Lasten von Gegenden, deren Wirtschaftskraft sich zum Teil dramatisch rückläufig gestaltet. Das ist freilich keine japanische Besonderheit, europäische Staaten wie Deutschland oder Frankreich haben ähnliche Entwicklungen zu moderieren, wobei die Unterschiede im Verwaltungsaufbau (föderalistischer oder zentralistischer Staat) ebensolche Unterschiede in den Gestaltungsinstrumenten zeitigt.
Verwaltungspolitisch größte Relevanz behält für Japan zunächst die letzte umfassende kommunale Gebietsreform, Heisei no dai-gappei, die in den Jahren zwischen 1999 und 2006 wirksam wurde und die Anzahl der kommunalen Gebietskörperschaften durch Eingemeindungen und Zusammenlegungen dramatisch reduzierte [Cornelia Reiher: Kommunale Gebietsreformen der Heisei-Zeit und lokale Identität: Das Beispiel der Kommune Arita-chō, S. 163 ff.]. Der erhoffte Nutzen durch eine Erhöhung der Verwaltungseffizienz bei gleichzeitiger Verringerung des Verschuldungsrisikos scheint sich aber keineswegs allenthalben Bahn zu brechen.
Einen grundsätzlichen Wandel in der japanischen Planungskultur mahnt Thomas Feldhoff [Landes- und Regionalentwicklung zwischen Wachstum und Schrumpfung: Regionale Disparitäten und räumliche Planung in Japan, S. 35 ff.] ein, weg vom autoritären, streng hierarchischen, zu einem Bevölkerungs- und Interessengruppen gleichermaßen einbindenden, ‚heterarchischen’ Vorgehen hätte ein zeitgemäßes Walten zu erfolgen. Allein schon deswegen, da „in der jüngeren Vergangenheit […] zunehmend am gesellschaftlichen Bedarf vorbei gebaut“(S. 50) wurde.
Winfried Flüchter [Schrumpfende Städte als Herausforderung: Japan, Hokkaidō und der Fall der Stadt Yūbari, S. 69 ff.] beschäftigt sich mit dem Niedergang der ehemaligen Bergwerksstadt Stadt Yūbari, seine Tourismuskonzepte – Duisburg hat das wahrscheinlich glücklicher gelöst – und seiner mehr als phantasievollen Finanzgebarung in der jüngeren Vergangenheit, als deren Folge die Stadt, aus der die teuersten Melonen der Welt gekommen sind, praktisch unter Kuratel gestellt wurde.
Eine für ganz Ostasien geradezu verwegen restriktive Baugesetzgebung, zu der man sich um der Wahrung und Wiederherstellung des Altstadtbildes willen in Kyoto durchgerungen hat, referiert Christoph Brumann [Weite Himmel über der Kaiserstadt: Die Kehrtwende in Kyotos Stadtplanung, S. 103 ff.]: Ade du irrlichternder Reklametafeldschungel!
Maren Godzik untersucht das Potential der aktiven Ruheständler und zu erwartende Umzugsbewegungen innerhalb der Regionen Japans. Die Forschungslage gestaltet sich allerdings noch etwas unsicher, um deutliche Prognosen für die Zukunft zu gewinnen [Ruheständler als Lebenselixier? Ruhestandswanderung und lokale Neubelebungsstrategien am Beispiel von Atami und Ishigaki, S. 129 ff.].
Soweit ausgewählte Aufsätze dieses vorzüglichen Jahrbuchs.
Ergänzt werden die Abhandlungen mit Buchrezensionen. Matthias Koch etwa bespricht ein Machwerk über den Yasukuni-Schrein (S. 345 f.) von Kojima Tsuyoshi. Der völlig unmissverständlichen Einschätzung des Rezensenten mag man sich mit Čechovs Worten aus dem ‚Waldschratt’ anschließen: „Das arme Papier!“



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