Meditationsbuch

Buchtitel: Zen-Worte im Tee-Raume
Erläutert von: Akaji Sōtei. Übersetzung: Hermann Bohner. Neubearbeitung: Heinz Morioka
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2007
ISBN 978-3-89129-199-3

Kann einem Zen-Literatur von Nutzen sein, auch wenn man sich für die darin ausgebreitete Weltsicht nicht gerade prädisponiert dünkt? Oder anders gefragt: Warum sich überhaupt philosophische Literatur antun? Eine Anstrengung, der vor der (sich mitunter nur mühsam einstellenden) Erbauung häufig die Tortur eingeschrieben steht. Zeitgenössische philosophische Literatur kann ein ziemliches Kauderwelsch sein (z. B. die Schriften Baudrillards), das nicht nur Zyniker als „eleganten Unsinn“(Alan Sokal u. Jean Bricmont u.a. über den Gehalt der Schriften des Genannten) entlarven können. Und dennoch: Von alldem eher nichts wissen zu wollen, offenbart einen Dünkel, den nur die Ignoranz sich leisten mag. Fahrlässig ist es außerdem, denn man beraubt sich der Möglichkeit eines Anstoßes, worauf man alleine vielleicht nicht draufgekommen wäre.
Nun hat es mit manchen Schulen des japanischen Zen die besondere Ironie, dass sie dem Schrifttum ausgesprochen skeptisch gegenüberstehen, während man in Korea etwa das Studium kanonischer Schriften als unumgänglich betont. Für Europäer, die der Originalsprachen nicht oder nur ungenügend mächtig sind, stellt sich die Herausforderung, sich an den Übertragungen abzuarbeiten. Die Übersetzungsleistung kann dabei oftmals nicht hoch genug geschätzt werden. Bestandteil des chinesischen Bildungskanons und der eloquenten Rhetorik über hunderte von Jahren war es, sich in Metaphern auszudrücken. Um etwa eine der wichtigsten Schriften des Zen-Buddhismus, die „Niederschrift von der Smaragdenen Felswand (Bi-Yän-Lu)“ überhaupt zu verstehen, muss man auch den Gehalt dieser Metaphern und des sich wechselweise aufeinander beziehenden, reichhaltigen Anekdotenschatzes wiedergeben. Eine schier unmögliche Aufgabe.
Diese einleitenden Worte mögen dazu dienen, Hermann Bohners bravourösen Einsatz angemessen zu würdigen, ein kleines japanisches Büchlein, das 1917 erschienen ist, ins Deutsche zu übertragen. Die Übersetzung wurde ursprünglich 1943 auf den Weg gebracht, ein Zeitpunkt zu dem die Welt bekanntlich mit etwas anderem beschäftigt war als der Pflege von Beschaulichkeit. Umso verdienstvoller stellt es sich dar, dass der Münchner Verlag Iudicium diese Arbeit nun neu aufgelegt hat, versehen mit einem Vorwort von Heinz Morioka, der der originalen Übertragung einen sehr hilfreichen Anmerkungsapparat hinzusetzte.
Die genaue Bedeutung des Originaltitels „Chashitsu Kakemono Zengo Tsūkai“ lautet: „Erläuterung von Zen-Worten auf Kalligraphie-Hängerollen im Tee-Raum“. Akaji Sōtei hat zu diesem Zweck „sechzig Kalligraphien von chinesischen und japanischen Zenmeistern des Mittelalters zusammengestellt“(S. 9) und kommentiert. Die Überschriften werden jeweils in Kanji und Romaji aufgeführt.
Gehalt dieser kurzen Abhandlungen ist der Geist des Zen, der sich kongenial in der japanischen Teezeremonie spiegelt. Zur Lektüre empfiehlt sich eine ebenso hektikfreie Atmosphäre und am besten, ohne weiß Gott wie bemühte intellektuelle Verrenkungen, die Bereitschaft, die Weisheiten und Fingerzeige auf sich wirken zu lassen. Dass einem manche Empfehlungen widersprüchlich ankommen, mag vielleicht auch an Denkgewohnheiten liegen, nicht den eigenen Vorstellungen Entsprechendes als Paradoxa zu deuten. Sich in Empfindung und Beobachtung zu schulen und gleichzeitig alles zu vermeiden solches Vermögen zu einer Disziplin zu vervollkommnen, die einen beherrscht, scheint so eine Widersprüchlichkeit zu beschwören. Oder in anderen Worten wiedergegeben: „Ein Teemeister, (Chajin), der noch nach Teemeister riecht, dem man noch äußerlich anmerkt, dass er Teemeister ist, das ist noch nicht der wirkliche Teemeister.“(S. 103)
Vielleicht ein Brevier, um sich in Leichtigkeit, Gelassenheit und der unvoreingenommenen Freude an den Dingen zu üben.



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