Eine verschlossene Sprache

Buchtitel: Eine verschlossene Sprache. Die Welt des Japanischen
Originaltitel: Tozasareta gengo – nihongo no sekai
Autor: Suzuki Takao [eingeleitet und übersetzt von Irmela Hijiya-Kirschnereit]
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudiucium, 1990
ISBN 3-89129-275-9

Das Buch wurde von seinem Autor ursprünglich in der Absicht verfasst, sich damit an ein rein japanisches Publikum zu wenden. Somit könnte es in einer Tradition stehen, die oft als “nihonjinron” bezeichnet wird, der in Japan beliebten Auseinandersetzung mit sich selbst (der japanischen Kultur und dem Japanischen). Allein Suzuki Takao ist ein Sprachwissenschaftler von so bedeutendem Rang, dass seine Überlegungen auch den im deutschsprachigen Raum am Japanischen Interessierten zugänglich zu machen für wert befunden werden konnte. In fünf Kapiteln (I. Was Japaner über das Japanische denken, II. Die Beziehung zwischen Schrift und Sprache, III. Die Stellung des Japanischen in der Welt, IV. Die Japanische Kultur und die Sprachauffassung der Japaner, V. Zum Fremdsprachenunterricht in Japan) werden Probleme verhandelt, die erst seit kurzem mit Japan Befassten vielleicht nicht allesamt als eingängig wahrnehmen mögen. Dessen ungeachtet erscheint aufschlussreich, was eine Kapazität des Japanischen seinen Landsleuten 1975(=Erscheinungsjahr der Originalausgabe) auszurichten hatte.
Es “entwickelten die Japaner aus den Kanji, während sie sie gleichzeitig in großer Zahl direkt übernahmen [von den Chinesen, Anmerkung von mir], eine völlig eigenständige Schrift namens Kana.”(S. 91) Den Überlegungen, diese durch westliche Schreibweisen zu ersetzen, kann Suzuki nichts abgewinnen. “Die japanische Kana-Silbenschrift ist ein außerordentlich gut ausgeklügeltes System, das es ermöglicht, die japanische Sprache entsprechend den Erfordernissen ihrer […] Lautstruktur mit einer minimalen Anzahl von Zeichen optimal wiederzugeben, und es ist absolut sinnlos, dieses System rein zahlenmäßig mit den sechsundzwanzig Buchstaben des lateinischen Alphabets zu vergleichen, das aufgrund der in den europäischen Sprachen herrschenden strukturellen Gegebenheiten jedem Einzellaut einen Buchstaben zuweisen muss.”(S. 58)
Der japanische Sozialanthropologe Umesao Tadao wird ausführlich mit dem Vorschlag zitiert, die kun-Lesung der Kanji abzuschaffen (S. 95 ff.), allein um die Schreibweise von Texten zu vereinheitlichen. Die dargebotenen Argumente weist Suzuki sukzessive in ihre Schranken und endet mit der Aussage: “Aber das Japanische ist aufgrund seines besonderen Kanji-Kana-Mischstils und der Eigenheit einer on-kun-Doppellesung eine Sprache, die prinzipiell keine einheitliche Orthographie entwickeln kann und ihrer auch nicht bedarf, und aus eben diesem Grund kam sie bisher ohne feste Orthographie aus.”(S. 101)
Vor dem Hintergrund, dass in europäischen Sprachen Fremdwörtergebrauch und -verständnis deutlich mit dem sozialen Hintergrund korrelieren, führt Suzuki aus: “Der Reichtum an Kanji im Japanischen und die Tatsache, dass man diese sowohl japanisch (kun) als auch sinojapanisch (on) liest, ist ein wichtiger Grund dafür, dass gehobene Begriffe oder schwierige Wörter nicht das Monopol einer kleinen geistigen Oberschicht bilden.”(S. 95)
Der einstmals (oder nach wie vor?) zu beobachtende Umstand, dass Japaner sich über Ausländer freuen, die ein bisschen Japanisch sprechen, sich von perfekt Japanisch parlierenden “gaijin” aber vor den Kopf gestoßen fühlen, erklärt Suzuki so: “Wenn ein kleines Kind seine ersten unbeholfenen Schritte macht, loben wir es in den höchsten Tönen. Aber wenn dasselbe Kind sich so sicher und schnell wie ein Erwachsener bewegen würde, wären wir beunruhigt und fänden das unheimlich, denn ein kleines Kind kann nun einmal nicht wie ein Erwachsener gehen.”(S. 159)



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