Tokio, ungewöhnlich

Buchtitel: 111 Orte in Tokio, die man gesehen haben muss
Autoren: Christine Izeki, Björn Neumann
Verlag, Erscheinungsjahr: Emons Verlag, 2017
ISBN 978-3-7408-0117-5

Nein, nicht noch ein Reiseführer, der die für Touristen relevanten Usancen en détail tabelliert und eine Enzyklopädie offiziöser Sehenswürdigkeiten versammelt, anhand derer man sich unter aufgebürdetem Zeitdruck checklistenmäßig durch die Topographie hangelt. So mancher Oktavband-Baedeker mit exquisitem Fotomaterial ermuntert einen bisweilen zuhause zu bleiben, weil einem dünkt, dass die Realität die Fotomotive ohnehin nicht wird toppen können und man sich zudem in der Abendsonne auf heimisch Balkonien nicht der Gefahr aussetzt, versehentlich auf die Habu-Schlange oder dergleichen kreuchend Gefleuchs zu treten. Dass Reiseführer auch im Hinblick auf die Option verfasst worden sein könnten, Fernwehgestimmten den Aufbruch nach der dargelegten Destination erfolgreich auszureden, scheint den Motiven dieses Genres nicht eingeschrieben. (Zumindest nicht prioritär.)
Da Gusto und Geschmack unter unterschiedlichen Leuten nun einmal verschieden angelegt sind, pflücke sich ein jeder das ihm Zusprechende aus dem bunten Flor von Angeboten heraus und wachse an Einsicht (oder schrumpfe), ob er in seinem Resümee jeweils mit jenem der Autoren übereinstimmt oder nicht. (Es soll freilich auch schon vorgekommen sein, dass sich welche zielgerichtet an sie adressiertes Feedback verbeten haben, weil halt feststeht, Vorlieben lassen sich nicht objektivieren, lediglich darlegen und mehr oder weniger mitreißend als jemandes unverblümt kundtun.)
Frau Izeki und Herr Neumann, beide langjährige Japan-Residenten deutscher Abkunft, bieten ein Angebot nach dem Abseitigen in der Präfektur Tokio zu spähen. Nicht ist damit gemeint in der Domäne der Freaks und Durchgeknallten zu wandeln (dafür gibt es andere Handreichungen), sondern das noch nicht zu Tode Geknipste des Beachtenswerten und das etwas ab vom Schuss Gelegene sich anzutun. Wie das Eiland Hachijo-jima, das immerhin eine der drei größten rezenten Ruinen Japans besitzt. Golfplatz-Simulatoren scheinen cool, in einem Land in dem ebenes Grün nicht eben billig vermehrbar zur Verfügung steht. Und dass man sich indoor in die reizvollsten Outdoor-Ressorts hineinsimulieren kann, ist der Mega-Clou überhaupt! (Wie blamabel auch immer sein Handicap ausfällt.) Im Lepra-Museum könnte man daran erinnert werden, dass selbst die reizvollste Medaille eine Kehrseite besitzt. Und wenn es einen auf menschelnde Großmärkte zieht – es sollte nicht zwingend Tsukiji sein. (Die Herausforderung, sich trotzdem früh aus der Heia zu schälen, bleibt freilich bewahrt.)
Dass dem Hund Hachiko und seinem Herrchen jüngst ein weiteres Denkmal gegossen worden ist, diesmal am Wirkungsort des Professors Ueno, weiß auch noch nicht jeder. Wo Puppen, die ihre Schuldigkeit getan haben, ohne Schludrigkeit verbrannt werden, erfährt man neben ungewöhnlichen lukullischen Adressen ebenso, wie die Varianten der Überlieferung, die berichten, was das reale Vorbild der Maneki-neko einst zu winken veranlasst hat. Warum man das Todoroki-Tal im Bezirk Setagaya unbedingt aufsuchen sollte, gerade wenn einen das Gefühl überkommt, es läuft nicht gar so rund in allem, auch. Und immer wieder wird man auf Hinweise, die Flüsse Tokios betreffend gelenkt. So manche Wasserader säumen flanierbare Spazierwege.
Also nichts wie runter vom Balkon!



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