Chinesisch-japanische Gesprächskultur
Dass sich die Kulturgeschichte der chinesisch-japanischen Beziehungen, oder japanisch-chinesischen Beziehungen, als eine Abfolge von Wechselfällen entfaltete, lässt sich schwerlich bestreiten. Als China sich als Mitte der Welt gefiel (und unbestritten über das Know-How verfügte es auch zu sein), mochten sich die Herrscher in Japan gerne nach dieser Mitte hin orientieren. Und nicht immer sind die Beziehungen zwischen den beiden Staaten so tragisch verlaufen, wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das, was von chinesischer Seite Japan regelmäßig (und vor allem anlassbezogen) vorgehalten wird, nämlich sich seiner Vergangenheit nicht zu stellen, ließe sich freilich auch gegen die Adresse der Chinesen wenden. Das leuchtende Beispiel, das freimütig seine Vergangenheit aufarbeitete, ist die Volksrepublik China gerade nicht.
Zwischen Staaten, gleich welcher Gesellschaftsordnung, die ein vitales Interesse daran haben, einen Austausch zu beiderseitigem Vorteil zu unterhalten, kann es freilich nicht angehen, ständig das Schwarzbuch der tatsächlichen oder vermeintlichen Verfehlungen zu aktualisieren. Zwar gilt nach wie vor das klare Wort Charles de Gaulles, eine Nation hat keine Freunde, eine Nation hat Interessen, aber die Artikulation und Verteidigung von Interessen braucht einem Zusammengehen durchaus nicht im Wege zu stehen. Der ehemalige Präsident der Republik Korea, Kim Dae-jung, verweist in diesem Zusammenhang stets auf die Entwicklungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg als Beispiel.
Frank Ching, ein chinesischer Korrespondent mehrerer ausländischer Medien in Hong Kong, beleuchtet in der heutigen (30.06.2006) Online-Ausgabe der “Japan Times”, seine Sicht der Dinge zwischen China und Japan. Während die chinesische Führung einem Treffen der Regierungsspitzen in jüngster Zeit nichts abzugewinnen vermochte [als Ursache wurden die Schrein-Besuche des japanischen Ministerpräsidenten moniert], wiewohl Koizumi immer wieder vorbehaltlos dazu einlud, war es zumindest den Außenministern beider Staaten, Li Zhaoxing und Taro Aso anlässlich eines Treffens asiatischer Staaten in Doha möglich, die diplomatische Konversation zu pflegen. Aso hob die Bedeutung von Japan, China und Südkorea für die Region und deren gemeinsamen Blick auf die Zukunft hervor. Frank Chang meint, falls es China um eine ernsthafte Verbesserung der Beziehungen zu Japan zu tun ist, läge es jetzt an China Signale zu senden, die darüber keinerlei Zweifel erwachsen lassen. Schließlich wäre im Umgang mit Japan in der Vergangenheit auch nicht immer alles rechtens gelaufen. Die Lancierung antijapanischer Stimmung hätte auch als Selbstläufer kommunistischer Propaganda fungiert, dazu dienlich der Etablierung des solchermaßen unterwanderten Freiheitskampfes zum Durchbruch zu verhelfen. Für die enorme wirtschaftliche Unterstützung Chinas nach dem Zweiten Weltkrieg habe Japan kaum Dank erhalten, noch ist dies einer breiteren Öffentlichkeit je zugebracht worden. Vor allem die massive Hilfe nach dem Ende der verheerenden Kulturrevolution, würde von Peking zu wenig bedacht. Vergessen dürfe man ebenso wenig, so Frank Ching, dass es Japan gewesen sei, das als erstes die Wirtschaftssanktionen gegen China aufhob, die als Reaktion auf das Tiananmen-Massaker von der internationalen Gemeinschaft verhängt worden waren.
Quelle:
Ching, Frank: Rewriting the line on Japan [The Japan Times, 30.06.2006]