Wohin steuert Japan?
Erwartungsgemäß ist Abe Shinzo nun Nachfolger von Koizumi Yunichiro im Amt des japanischen Ministerpräsidenten geworden. Die Besetzung seines Kabinetts erfolgte, ebenso absehbar, mit treuen Gefolgsleuten, also Personen, die ihm während seiner Kampagne die Unterstützung nicht versagt haben. Den Kommentator der Asahi Shimbun hat dies zu der süffisanten Bemerkung veranlasst, das Ganze erinnere ihn an einen Abklatsch des “Komyogatsuji”, jener Endlos-Fernsehserie um Feudalverhältnisse aus dem 16. Jahrhundert, in der loyale Krieger immer wieder nach ihren Verdiensten befördert werden. Japanische wie internationale Beobachter haben wiederholt Abes Sichtweise der japanischen Vergangenheit hervorgehoben, sowie dessen Ambition, eine Revision der pazifistischen Verfassung zu betreiben, um Japans Selbstverteidigungskräften den Status einer offiziellen Armee zu verschaffen. Knieschlottern hat indessen der Gedanke eines ehemaligen Ministerpräsidenten (Nakasone), Japan könne sich durchaus auch in den Besitz von Atomwaffen bringen, nicht nur bei ostasiatischen Nachbarn, sondern auch in Japan selbst ausgelöst. Dafür herrscht gegenwärtig Rätselraten darüber, wie Abe den drängenden Herausforderungen im Innern zu begegnen gedenkt. Die Staatsverschuldung hat ein Rekordhöchstmaß erreicht, die Gegensätze zwischen reichen und armen Japanern haben sich in der Ära Koizumi verschärft, die Finanzierung des Rentensystems in einer rapide alternden Gesellschaft verlangt dringend erforderliche Anpassungen. Der bereits erwähnte anonyme Kommentator der Asahi Shumbun resümiert wenig schmeichelhaft: “We have a situation that requires exceptionally competent policy leaders with persuasive power. But we are not sure if there are any such people in Abe’s Cabinet.â€?
In Sachen Außenpolitik wäre eine Klimaverbesserung zwischen Japan und China einerseits, sowie zwischen Japan und der Republik Korea andererseits, nicht nur im Interesse der Wirtschaft wünschenswert. Aus einer aktuellen Erhebung der Kyodo News, auf welche sich die Japan Times beruft, geht hervor, 50 Prozent der Befragten sprechen sich gegen offizielle Besuche Abes und seines Kabinetts am Yasukuni-Schrein aus. Der Gastkommentator in der heutigen Online-Ausgabe des Korea Herald, Kim Jong-han, gegenwärtig als Rechtsanwalt in Hongkong tätig, versucht eine optimistische Perspektive der koreanisch-japanischen Beziehungen zu zeichnen. Mit Abe wäre nun ein neuer Mann am Start und Südkorea wäre gut beraten, den ersten Schritt in Richtung auf eine konstruktive Vertiefung der Verständigung zu setzen. Auch um im Hinblick auf eine mögliche Tauwetterperiode zwischen China und Japan nicht außen vor zu stehen. Kim verweist auf die zahlreichen wirtschaftlichen Kooperationen zwischen koreanischen und japanischen Firmen und auf die Bedeutung des japanischen Finanz- und Investmentkapitals für die Entwicklung der gesamten koreanischen Halbinsel. Eine Wiedervereinigung beider Koreas wäre nach seiner Einschätzung ohne die Unterstützung Japans undurchführbar. Er verweist des Weiteren auf den nicht völlig nebensächlichen Aspekt, dass es von Abes Gattin Akie heißen würde, sie erwärme sich stark für koreanische Popkultur und habe in der Vergangenheit Kurse zum Erlernen der koreanischen Sprache belegt.
Quellen:
The Abe administration. The Asahi Shimbun, 28.09.2006
Cabinet gets 65 % support; 50 % oppose Yasukuni visits: poll. The Japan Times, 28.09.2006
Time to improve relations with Japan [Kim Jong-han]. The Korea Herald, 28.09.2006