Blutspritzer im Schnee
Filmtitel: Lady Snowblood [Shurayukihime]
Regie: Fujita Toshiya
Erscheinungsjahr: 1973
Darsteller: Kaji Meiko (Yuki) …
Wahrscheinlich muss man, wenn man sich Berserker-Filme reinzieht, ein bisschen plemplem sein. Die andere, psychologisierende Sichtweise ist die, dass man es bei allzu forciertem Genuss allmählich zu werden droht. [Der alte Streit: Fördern vermeintlich Gewalt verherrlichende (Schund-)Filme die eigene Gewaltbereitschaft?]
Aus dem genannten Genre leuchtet Shurayukihime geradezu als Juwel hervor. Quentin Tarantino behauptet, dieser Film hätte ihn zu seinem reichlich vermessenen Zweiteiler “Kill Bill” animiert. [Eine martialisch fuchtelnde Uma Thurman im Bruce Lee-Outfit wirkt ein bisschen sehr bemüht, komisch und zuweilen anachronistisch.]
Verwegene argumentieren, alle wirklich guten Filme hätten einen schlechten Plot, aber der falle nicht weiter ins Gewicht. Bei einem guten Plot falle es dagegen umso deutlicher auf, wenn Schauspieler die Szenen vergeigten. Man ächzt dann: “Was hätte aus dem Stoff nicht alles gemacht werden können!”
Dieses Ächzen hält sich bei “Lady Snowblood” tatsächlich in Grenzen. Möglicherweise erleichtert es aber das Verständnis, sich den Film nicht im O-Ton ohne Untertitel zu geben, wenn man lediglich über ein rudimentäres Japanisch verfügt wie ich. Immerhin aber kann man dann den Journalisten Ashio, der im Zentrum des Geschehens auf den Plan tritt, als verschollenen Verwandten des weiblichen Racheengels missverstehen. Auch auf die Gefahr hin, dass ich den Rest ebenso falsch interpretiere und mithin hier einen ganz anderen Plot nachzeichne, einen fiktiven Film gewissermaßen, versuche ich kurz den Inhalt zu erklären.
Das Mädchen Yuki kommt im Gefängnis als Tochter der Sayo auf die Welt, deren Familie sozusagen in den Geburtswehen der Meiji-Ära ausgelöscht wurde. Die Erblast der Tochter besteht darin, nach einer langwierigen Ausbildung bei einem kriegerischen Mönch, systematisch an den Peinigern ihrer im Gefängnis verstorbenen Mutter Rache zu verüben. In ihrem nicht lange blütenweiß bleibenden Kimono trippelt Yuki ihres Weges, im Griff des Schirms die Katana verborgen, die tödliche Klinge, die sie unnachahmlich und unnachgiebig zu führen versteht. Erst in den letzten Einstellungen spießt ihr das Mädchen Kobue, die Tochter eines der von Yuki getöteten Männer, die ihr einst eine Haarnadel schenkte und deren Freundschaft sie hätte gewinnen können, einen Dolch in den Bauch. In den Schnee sinkend schreit Yuki die Verzweiflung in die Nacht, die die ganze Tragödie ihrer Existenz einfasst.
In der Darstellung der Gewaltszenen wurde der Film richtungsweisend. Bis Ende der 1950er Jahre ist Theaterblut nicht verwendet worden; den Tabubruch vollzog ein ansonsten vergessenswerter US-amerikanischer Krimi, der einen sich ausbreiteten Blutfleck auf einem weißem Hemd einfing. [Weitere Stationen der Entwicklung sind die 1960er-Jahre-Filme Bonnie & Clyde, The Wild Bunch und Night of the Living Dead.] In Shurayukihime werden Menschenkörper regelrecht tranchiert und das künstliche Blut (dessen Farbe man allerdings bekritteln könnte) fließt geradezu in Strömen. Die filmtechnischen Möglichkeiten waren freilich noch nicht auf der Höhe, wie sie dann Kitano für Zatoichi zur Verfügung standen. Das schmälert die Überzeugungskraft des älteren Films aber keineswegs.
In Japan, heißt es, erfreuten sich historische Dramen (Jidai-geki) ungebrochener Beliebtheit. Shurayukihime soll seinerzeit ein regelrechter Renner gewesen sein, die Darstellerin der Yuki, Kaji Meiko, avancierte zum Star. (Die Rolle der Rachedurstigen hatte sie zuvor schon in den ziemlich trashigen “Female Convict Scorpion”-Filmen besetzt.)
Resümee: Brachiales Unterhaltungskino mit zuweilen magisch schönen Bildern.
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