Audition
Audition [Originaltitel: Odishon]
Japan 1999
Regie: Miike Takashi
Kamera: Yamamoto Hideo
Ein Film wird zum Skandalon, weil er sich über Zensurbestimmungen vermeintlich hinwegsetzt, wie 1976 beispielsweise “Ai no corrida” von Oshima Nagisa, der seinem Schaffen immerhin eine emanzipatorische Aufgabe unterlegt hat. [Die US-amerikanische Schriftstellerin Kathy Acker hatte diesen Film zu ihrem absoluten Favoriten erkoren.]
Miike Takashi, Absolvent der Filmakademie von Yokohama, zählt zu den produktivsten Regisseuren Japans (4-5 Filme pro Jahr, die zwischen den Sujets Teenagerkomödie und Yakuza-Krimi ozillieren). Für Wirbel sorgte sein Film “Audition” vordergründig dadurch, dass er seine Hauptdarstellerin Shiina Eihe gegen ihren Typ (everbody’s darling) besetzte. [Eine Besetzung als romantische Liebhaberin würde Kuriyama Chiaki-Aficionados wahrscheinlich auch gegen den Strich gehen.] Tatsächlich wird in dem Film ein berüchtigtes hentai-Motiv, nämlich das der gequälten, zerstückelten Frau, einfach umgekehrt: Diesmal ist das Opfer der Mann. Und der Film schwächelt allenfalls in jenen Momenten, da in Rückblenden, die Traumsequenzen gleich von der Kamera eingefangen werden, eine Begründung für das Handeln der Protagonistin geboten wird: Zu Gewalt neigt bevorzugt der, dem in jungen Jahren selbst Gewalt angetan worden ist. [Eine These, die sich innerhalb der verstehenden Sozialwissenschaften eines breiten Konsenses erfreut.] Damit wird diesem verstörenden Film allerdings eine Nuance der Unbehaglichkeit genommen.
Das Geschehen hebt mit berührenden Bildern an: Der Geschäftsmann Shigeharu Aoyama und sein kleiner Sohn verabschieden sich im Krankenhaus von einer Sterbenden. Schnitt. Jahre später beschließt der Witwer Shigeharu, ermuntert durch seinen Sohn, sich wieder nach einer Frau fürs Leben umzusehen. Zu diesem Zweck organisiert sein Freund, ein TV-Produzent, ein Casting für die zu besetzende weibliche Hauptrolle eines Films, der nicht verwirklicht wird. In der Fülle der Zuschriften wird Shigeharu auf eine Bewerberin aufmerksam, die auch in der anschließenden Gegenüberstellung sofort sein Herz zu gewinnen vermag: Eine junge Person, Yamazaki Asami, von ausgesuchter Höflichkeit und tadellosen Referenzen. Als der TV-Produzent an dem makellosen Vorleben Asamis Anstoß zu nehmen beginnt und Nachforschungen betreibt, entdeckt er, dass sämtliche Personen, die Auskünfte über sie erteilen könnten, spurlos verschwunden sind. Für Shigeharu nimmt das Unglück seinen Lauf.
Dem Kameramann Yamamoto Hideo (er stand bereits für Kitanos “Hana-Bi” hinter der Kamera) gelingt es immer wieder Einstellungen von beklemmender Irritation einzufangen. So etwa, wenn man Asami in einer kahlen Wohnung neben dem Telefon kauern sieht. Hinter ihr ein unförmiger, lederner Sack, der urplötzlich in ruckartige Bewegung verfällt. Seines schrecklichen Geheimnisses wird man später noch gewahr. Den Film durchzieht ein bemerkenswert ruhiger Duktus (geradezu untypisch für Miike), seine Überzeugungskraft wird von der Dezenz der Darsteller getragen. Shigeharu ist kein Mann mit einem außergewöhnlichen Faible und Asami agiert so berückend, dass ihr jeder auf den Leim geht, der sich ihrem Charme ergibt. Ein bezauberndes Monstrum, dessen Ende dann doch ein wenig zu lapidar daherkommt.