Der Pockenarzt

Buchtitel: Blumen im Schnee. Eine historische Erzählung
Autor: Yoshimura Akira. Aus dem Japanischen von Gerhard Bierwirth und Arno Moriwaki
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2015
ISBN 978-3-86205-429-9

Der japanische Autor Yoshimura Akira (1927 – 2006) dürfte sich im deutschsprachigen Raum keiner allzu großen Bekanntheit erfreuen, zumal vor dieser nun vorliegenden Erzählung lediglich ein Opus magnum, nämlich „Die großen Tsunami der Sanriku-Küste“, in deutscher Übersetzung aufgelegt worden ist (2013 im Iudicium Verlag). Vielleicht mag es sich unter Cineasten herumgesprochen haben, dass der 1997 entstandene Film „Unagi“ des Regisseurs Imamura Shōhei auf einer Kurzgeschichte Yoshimuras basiert, aber das wär’s dann auch schon.
Die Geschichte des Stadtarztes Kasahara Ryōsaku aus Fukui, der es sich zur Lebensaufgabe machte zur Verbreitung der Pockenschutzimpfung in Japan Entscheidendes beizutragen, veröffentlichte Yoshimura 1971 ursprünglich unter dem Titel „Metcha isha“. 1988 erschien eine überarbeitete und ergänzte Neuauflage unter dem nunmehr gültigen Titel „Yuki no hana“, nachdem der Autor weitere Selbstzeugnisse und Dokumente des historischen Arztes hatte einsehen und einarbeiten können. Die Ereignisse handeln in den letzten Dezennien der Feudalära vor Anbruch der Meiji-Restauration. Zwar waren Kenntnisse der westlichen Medizin, der sogenannten „Holland-Medizin“, bereits seit einem halben Säkulum bekannt, dennoch aber alles andere als weit verbreitet. Die Dominante der Heilkunde bildete nach wie vor die chinesische Tradition und ihre japanische Spielart. So wurde der Ausbruch von Pockenepidemien mit ebenso überlieferten wie wirkungslosen Verfahren behandelt, unter denen die Verabreichung einer Essenz aus verbrannten Kuhfladen noch gar nicht als die kurioseste anmutet. Als europäischer Leser darf man sich freilich vergegenwärtigen, dass man etwa zeitgleich hierzulande, und wohl ebenso notgedrungen, viel auf das Gesundbeten gegeben hat.
Der Protagonist der Erzählung wird von einer Reisebekanntschaft, gleichsam Arzt wie er, auf die Errungenschaften der mit Siebold und anderen ins Land gekommenen Fertigkeiten der „Holland-Medizin“ neugierig gemacht. Bis er aber mit seinen Vorstellungen zu reüssieren und vieles an unsäglichem Leid vermeiden helfen kann, hat er nicht nur die Widerstände des nicht gerade willfährigen Beamtenapparates eines ansonsten durchaus aufgeschlossenen Fürstenhauses, die Ängstlichkeit und den Aberglauben des einfachen Volkes, sowie Konkurrenzneid unter Ärzten zu parieren, sondern mit dem immer wieder dräuenden Scheitern seiner Ambitionen fertigzuwerden, wenn das Ausgangsmaterial seiner Impfaktionen zu versiegen droht.
Die realistische Erzählung ist, wie es Gerhard Bierwirth im, den Kontext erhellenden Nachwort darlegt, von einer bisweilen recht schmucklosen Sprache getragen, was den Lesefluss allerdings nicht beeinträchtigt. Spannungsbögen, wie sie vielleicht eine belletristische Darstellung des berühmten Serum Run to Nome tragen, darf man sich nicht erwarten. Aber Heldentum ohne flatternde Zungen kann auch Heldentum sein.



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