Fukushima, Menschenschicksale

Buchtitel: Zuhause in Fukushima. Das Leben danach: Porträts
Autorin: Judith Brandner. Mit Fotos von Katsuhiro Ichikawa
Verlag, Erscheinungsjahr: Kremayr & Scheriau, 2014
ISBN 978-3-218-00906-5

Auch andere verfolgen möglicherweise die Reportagen der Journalistin Judith Brandner aus Japan für den Radiosender Ö1 mit lebhaftem Interesse. Sich wie sie den Menschen und ihren Schicksalen verpflichtet zu erweisen, bezeugt, dass Berichterstattung über Ereignisse sich nicht im Abhandeln einer nüchternen Faktenchronologie erschöpfen muss. Das Thema von Frau Brandner ist in den letzten Jahren freilich das große ostjapanische Beben und die Atomkatastrophe von Fukushima gewesen. Das aktuelle Buch aus ihren Händen ist quasi auch als Begleitgabe zu ihrer Radioarbeit zu verstehen. Tatsächlich begegnet man darin Personen, etwa der Biobäuerin Sato Sachiko, über die auch in anderen Formaten bereits berichtet wurde. Das macht die Sache damit aber nicht weniger ambitioniert oder gar redundant. Zumal das Buch Portraitaufnahmen des Photographen Ichikawa begleiten, bekommt man zu den vorgestellten Geschichten nun auch die Gesichter geliefert.
Wer denkt, das Gerede über Fukushima und die Folgen würden ihm oder ihr schön langsam zum Hals heraushängen, dem oder der sei das Buch trotzdem ans Herz gelegt. Denn die Art und Weise wie die Repräsentanten der hohen Politik in Japan die Auswirkungen der Havarie klein reden und dazu den Schulterschluss mit solchen Experten suchen, die fragwürdige Expertisen erstellen, ist gelinde gesagt haarsträubend. Man kann auch nicht darauf bauen, dass es in Europa entschieden anders laufen würde. So vermochte sich etwa ein russischer Atomwissenschaftler etliche Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl in einer Abhandlung für die Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ zu der Behauptung versteigen, es sei nicht ausgemacht, ob nicht die Furcht vor der Atomkraft letztlich mehr Opfer gefordert hätte als die Nutzung derselben.
Etwa „hundertfünfzigtausend Nuklearflüchtlinge“ sind gegenwärtig auf ganz Japan verteilt. Vom Los derjenigen, die ihre Lebensgrundlage verloren haben oder die in der Fremde nicht wieder Wurzeln schlagen können, erzählt dieses Buch. Aber auch von einem Undercover-Journalisten, der sich unter die Aufräumarbeiter im Atommeiler von Fukushima schmuggelte, vom Engagement der Umweltaktivistin Aileen Mioko Smith oder von der Freiwilligenarbeit eines Arztes und Ex-Diplomaten. Freilich auch darüber, dass sich Geschichte scheinbar zu wiederholen scheint. Allein, die Ereignisse von Fukushima – sie wollen nicht als Farce-Version der Tragödie von Minamata verfangen.



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.