Im Land der heißen Quellen
Buchtitel: Onsen Thermalquellen als Reiseziel. Badekuren und Badetourismus in Japan
Autorin: Marie-Luise Legeland
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2013
ISBN 978-3-86205-041-3
Im Jean Paul-Jahr ein Buch über das japanische Badewesen zur Hand zu nehmen, kann das Unpassendste nicht sein. Gleichwohl man in der profunden Doktorarbeit von Marie-Luise Legeland kaum einem Charakter à la Dr. Katzenberger begegnen wird. Die Fülle an geschichtlichen Herleitungen wird den Interessierten dennoch ebenso zu beschwingen wissen. Tatsächlich besteht das Buch aus einem historischen, sowie einem praktischen Teil. Bietet jener eine Zusammenschau der Entwicklung der Kultur der Nutzung japanischer Thermalquellen, so führt dieser die Ergebnisse einer Vor-Ort-Untersuchung an den Beispielen Hijiori und Kusatsu auf.
Die Frage, wer in Japan früher in die Tümpel der heißen Quellen stieg – Mensch oder Makak – wird hier nicht aufgeworfen; sie scheint auch eine müßige zu sein. Erste historische Belege finden sich jedenfalls in den ältesten historiographischen Werken. Was nicht ausschließt, dass bereits in der Jōmon-Zeit der Mensch onsen für seine Zwecke zu nutzen verstand. Besaß das Badewesen einst eine ausgeprägte religiöse Konnotation, die im Zusammenhang mit Purifikationsritualen gedeutet wird, so gewann eine gewisse Säkularisierung noch während des Mittelalters die Oberhand. Freilich trug die eingeschränkte Bewegungsfreiheit des Großteils der Bevölkerung einerseits, das rudimentäre Straßenwesen und die entlegene Lage so mancher Quellen andererseits dazu bei, dass die Hauptnutznießer zunächst die gesellschaftliche Elite stellten. Dabei trat auch schon zutage, dass ein Badeaufenthalt nicht nur zum Auskurieren physischer oder anderer Wehwehchen vorgeschützt werden konnte. Der Beruf der Badeassistentin, eine Profession, die ursprünglich mit den Tempelbädern in Zusammenhang stand, wandelte im Lauf der Zeit seinen Ruf.
Reisen als Massenphänomen ist eine jener Entwicklungen der Edo-Zeit, die mit den Maßnahmen der Verbesserungen des Straßenwesens, den Abbau von Mautbarrieren, sowie der erzwungenen Mobilität der Lehensfürsten aufs engste verschränkt war. Bald wurde es auch unter Bauern und Fischern zum guten Ton während kürzerer Pausen, etwa nach dem Einbringen der Ernte, nach einer der heißen Quellen aufzubrechen. Man tat dies in Gruppen ähnlich der Scharen, die sich auf Pilgerreise begaben. „Badeorte wurden zu einem bedeutenden regionalen Wirtschaftsfaktor (…).“(S. 109).
Die Anfänge des förmlichen Badetourismus liegen in der Meiji-Zeit. Der Passzwang wurde aufgehoben und das Verkehrswesen gestaltete sich neu. Freilich fehlte, um zu Kuren, etlichen Menschen nun dafür die Zeit. Die verwegene Ansicht eines Delegierten der Internationalen Arbeitsorganisation, japanische Arbeiter verstünden es nicht ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten, schien dieser Entwicklung nicht gerade Rechnung zu tragen.
Dass die Balneologie in Japan nie richtig Fuß fassen konnte, gleichwohl die unterschiedliche Zusammensetzung der Heilwässer der verschiedenen Orte diese zu unterstützen hülfe – die Autorin führt etwa Aufsehen erregende Kurerfolge im Tamagawa Onsen an – zeitigt Auswirkungen bis in die Gegenwart. Der japanische Kneipp unserer Zeit ist der hochmotivierte Arzt, der seine Aufklärungsarbeit gegen die Praxis der Aufwendungserstattung der Krankenkassen verrichten muss. (Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich werden die Kosten bädertherapeutischer Behandlungen nämlich nicht von ebendiesen übernommen.)
Dessen ungeachtet erfreut sich der Aufenthalt an den Thermalquellen in Japan großer Beliebtheit. Im Binnentourismus hält das nach wie vor seinen hohen Stellenwert. Allein, wie es den kommenden Generationen belieben wird, die sich gewandelten Herausforderungen zu stellen haben, muss sich weisen.
Zuletzt scheint der wohlmeinende Ausklang des schönen Buches eine Universalie zu bestätigen: „Das Volk der Badenden ist ein friedliches Volk.“[Eva Schmidt, Ein Vergleich mit dem Leben. Erzählungen, Salzburg 1985]
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