Japan im Wandel – literarisch

Buchteitel: Die Fluten des Sumida. Ausgewählte Erzählungen und Prosa
Autor: Akutagawa Ryūnosuke. Aus dem Japanischen übertragen und mit einem Vorwort und Anmerkungen versehen von Armin Stein
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2010
ISBN978-3-86205-139-7

Auch wenn man Akutagwa Ryūnosuke (1892 – 1927) nicht als einen der bedeutendsten und einflussreichsten Autoren Japans im Kopf hat, mag es einem immerhin geläufig sein, dass der renommierteste Literaturpreis dieses Landes nach ihm benannt worden ist. Die im regulären Buchhandel gegenwärtig greifbaren deutschen Übersetzungen seiner Werke sind recht überschaubar. 2003 erschien im Iudicium Verlag eine Sammlung Erzählungen, gleichfalls übersetzt von Armin Stein [Zweite Auflage dieser Ausgabe Juli 2010]. Zuvor, 2001, der Band „Rashomon“ in der Übertragung von Jürgen Berndt in der Sammlung Luchterhand. Mit jenem gelang dem Autor 1917 der literarische Durchbruch.
Die Auswahl an Prosa im vorliegenden Band deckt ein breites Spektrum des viel zu früh aus dem Leben geschiedenen Schriftstellers ab. Die Übersetzung ist dabei meines Erachtens an keiner Stelle zu beanstanden, man gewinnt den Eindruck von einer seiner Zeit verbundenen, gleichwohl über sie hinausweisenden Ausdruckskraft. Was die ungebrochene Präsenz Akutagawas im Literaturkanon Japans erklärt. An Geschichten finden sich solche mit feiner Ironie („Zwei Frauen namens Komachi“, S. 53 ff.), neben Betrachtungen, die die Flüchtigkeit alles Seienden treffend ins Bild setzen, ohne sich doch in Larmoyanz zu ergehen („Honjo-Ryōgoku“, S. 133ff.). So spricht der ‚Bote des Jenseits’ in der erstgenannten Erzählung die Erkenntnis aus: „Schon immer kamen schöne Frauen und Genies zumeist in die Hölle.“(S. 53) und reflektiert der Autor während seines Schweifens durch die von Menschenhand wie Unglücksfälle verwandelten Bezirke: „Mag sein, dass alles fließt, doch keine zweite Stadt der Welt dürfte sich so rasant wandeln wie Tōkyō.“(S. 140).
Die Anmerkungen am Schluss des Buches bieten praktische Erklärungshilfe zu verschiedenen Begriffen, Namen und Orten. So wird mehrfach, wie in den literarischen Texten, auf die verheerenden Auswirkungen des Kantō-Erdbebens vom 1. September 1923 hingewiesen. Anderes regt einen an weiter nachzuforschen. So möchte man gerne mehr über jenen Meisterdieb in Erfahrung bringen, den man Nezumikozō (vgl.: Anmerkung S. 210) nannte.
Alles in allem eine so kurzweilige wie nachdenklich stimmende Lektüre.



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