Beiträge zum Japan-Diskurs
Buchtitel: Politik in Japan. System, Reformprozesse und Außenpolitik im internationalen Vergleich
Herausgeber: Verena Blechinger-Talcott (u.a.)
Verlag, Erscheinungsjahr: Campus, 2006
ISBN 3-593-37998-8
Dieses aktuelle Kompendium stellt sich als Festschrift zu Ehren des renommierten deutschen Politikwissenschaftlers Paul Kevenhörster vor. Wer eine Handhabe zur möglichst umfassenden Erklärung des politischen Lebens in Japan sucht, ist damit mitnichten gut bedient. [Das von Kevenhörster mitverfasste Handbuch zu Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Japans ist für 2007 in Neuauflage angekündigt.] In der akademischen Kultur ist es Usus, im Rahmen von Festschriften Beiträge zu versammeln, die in irgendeinem Zusammenhang mit der gefeierten Person stehen. Dabei ist man allmählich abgekommen, reine Hagiographien zu verfassen, die das Renommee des Adressaten wie das des Autors gleichermaßen hervorheben. Zuweilen werden Zusammenfassungen von Forschungsergebnissen geboten oder überblicksartige Herangehensweisen zu ausgewählten Sachthemen verfolgt. Großartiger Erkenntnisgewinn sprießt selten daraus.
Da so etwas wie ein Paradigmenwechsel in der Japanologie in den letzten Jahren nicht zu beobachten war, fallen die Sichtweisen der hier vorgestellten Aufsätze wenig überraschend aus. Dem spielt freilich auch die Tatsache zu, dass die japanische (Innen-)Politik von geradezu bleierner Kontinuität gezeichnet ist, die allerdings Ministerpräsident Koizumi zuletzt deutlich zu konterkarieren verstand.
Der komplexe politische Hintergrund der umstrittenen Privatisierung der Post und Postsparkasse, der in den westlichen Medien nie an deutlicher Kontur gewann (Stichwort: Finanzierung staatlicher Investitionsprogramme), wird im Beitrag der Herausgeberin (“Regieren in Japan im Vergleich”) transparent. Der Verewigungscharakter dominanter politischer Parteien wird von Patrick Köllner untersucht, der die japanische LDP mit der italienischen Democrazia Cristiana vergleicht. Während es in den 1990er Jahren ganz kurz einmal danach aussah, als könnte die unablässig regierende LDP von anderen politischen Kräften beerbt werden, ist die DC mittlerweile tatsächlich im Orkus der Geschichte angekommen.
Gebhard Hielscher setzt sich in seinem Aufsatz mit der Aufarbeitung der Geschichte als politischen Prozess auseinander und stellt Deutschland und Japan einander gegenüber. Zwar räumt er Grenzen der Vergleichbarkeit ein (die deutsche und österreichische Verantwortung für die Shoa ist tatsächlich mit keiner anderen Schuld gleichzusetzen), es dürfen aber im Handeln der Nachkriegspolitik durchaus gewisse Defizite Japans festgemacht werden. Hartwig Hummel skizziert in seiner Arbeit Japans Einbettung in die Weltwirtschaftsordnung und beschreibt Strategien, der so genannten Asienkrise 1997 Herr zu werden. Japans Beiträge fallen selbst unter kritischer Betrachtung dabei bedeutend konstruktiver aus, als die betont unilaterale Hegemonie der USA. Entwicklungen im Rahmen der WTO-Verhandlungen versucht Japan durch seine Economic Partnership Agreements mit ausgewählten Partnerstaaten zuvorzukommen.
Japans Rolle in Südostasien beleuchtet die Einschätzung von Marco Bünte. Dabei wird Japan als wesentlicher Impulsgeber der wirtschaftlichen Erholung in der Region Südostasien hervorgehoben. Außenpolitisch agiert das Land allerdings deutlich unter dem Niveau seiner Möglichkeiten. Rang sich Japans Administration im Stabilisierungsprozess Kambodschas zu maßgeblichem Engagement durch, lässt sich dies im Verhältnis zu Burma (Myanmar) nicht erkennen. Das diplomatische Vakuum, das die Vereinigten Staaten mit ihrer Fixierung auf den Kampf gegen den internationalen Terrorismus in Asien hinterlassen haben, und das von Ambitionen der Volksrepublik China klammheimlich besetzt wurde, hätte eigentlich ebenso gut von Japan aufgefüllt werden können.
Im Aufsatz “Internationalisierung ohne Einwanderung: Der japanische Weg” kommt sein Autor Dietrich Thränhardt auf die Tatsache zu sprechen, dass die zweitstärkste Volkswirtschaft der Welt de facto kaum Einwanderung zulässt. Er leitet dies mit dem süffisanten Hinweis auf die ehemalige UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Frau Ogata Sadako, ein, die während ihrer Amtszeit die Verantwortung der europäischen Länder, verstärkt Flüchtlingen Asyl zu gewähren, wiederholt einmahnte, die diesbezüglichen Möglichkeiten Japans allerdings geflissentlich unter den Tisch kehrte. Im Jahr 2005 nahm Japan 46 (!) Flüchtlinge auf. Was Wunder, dass sich im Land der aufgehenden Sonne keine Phobie, die sich der Ausländerhetzte gleichsetzen ließe, registrieren lässt. Den restriktiven Einwanderungsgesetzen zum Hohn drängt es dennoch verstärkt Menschen aus der Region nach Japan. Die Ursache ist klar: “1992 waren die Pro-Kopf-Einkommen in Japan 60mal höher als in China, 67mal höher als in Pakistan, 91mal höher als in Indien und 128mal höher als in Bangladesh.”(S. 254)
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