Vom Langnasendasein in Japan

Buchtitel: Tokio total. Mein Leben als Langnase
Autor: Finn Mayer-Kuckuk
Verlag, Erscheinungsjahr: Goldmann, 2010
ISBN 978-3-442-31211-5

Japan fasziniert nach wie vor, nicht nur uns ‚Langnasen’, so trist können aktuelle Meldungen aus Fernost gar nicht ausfallen, etwa über die wachsende Anzahl der in prekären Beschäftigungsverhältnissen sich einrichten müssenden Universitätsabsolventen, das Staatsdefizit oder die Probleme renommierter Automobilhersteller in Übersee.
Erlebnisberichte über Aufenthalte oder Verwurzelungsversuche in Japan scheinen bald ein eigenes Genre zu bilden. [Im Vorjahr fiel als besonders originelles Werk Michaela Viesers „Tee mit Buddha“, über ihre Erfahrungen in einem Zen-Kloster, auf und für Herbst 2010 ist ein weiteres Buch von Christine Liew, die 15 Jahre in Japan verbrachte, angekündigt: „Schattenläufer und Perlenmädchen“.] Der Ton der letzten Bücher, die ich über das Zurechtkommen in fernöstlicher Umgebung gelesen habe, sei es Ilka Schneiders „Zwischen Geistern und Gigabytes – Abenteuer Alltag in Taiwan“ oder Verena Hohleiters „Schlaflos in Seoul“, war immer von großem Einfühlungsvermögen, Humor und Selbstironie getragen und ich gestehe, dass genau das meine Wellenlänge trifft.
Klaro, dass ich darum auch dem kurzweiligen Buch des Autors mit dem lustigen Namen Mayer-Kuckuk die Reverenz nicht versage. Der Mann arbeitet seit einigen Jahren als Korrespondent des ‚Handelsblatts’ in Japans Kapitale und resümiert in „Tokio total“ seine Erlebnisse aus Studientagen bis in die Gegenwart. Bemäkeln ließe sich allein die Tatsache, dass man relativ wenig über die ominösen Hürden erfährt, mit denen sich ein Journalist in Japan konfrontiert sieht [Zu diesem Thema gibt es allerdings eine aufschlussreiche Magister-Arbeit von Sven Engesser: „Kisha-Club-System und Informationsfreiheit“, Wiesbaden 2007.].
Man erfährt unter anderem was man gegen ‚gokiburi’ unternehmen kann, dass öffentliche Abfalleimer in Japan seltener zu finden sind als menschliche Fußabdrücke auf dem Mond, in welchen Situationen sich Nippons Großmütter schlagkräftiger erweisen als die nordkoreanische Armee (S. 112), dass Japaner mitunter ein haarsträubend-entkrampftes Verhältnis zu Atommeilern entwickeln, japanischer Forschergeist sogar Handy-Klingeltöne gegen Haarausfall ersinnt, konversationsfähige Toiletten keine Seltenheit sind und eine der bemerkenswertesten Eigenschaften der Menschen im Land der aufgehenden Sonne darin besteht, „die Realität so wahrzunehmen, wie sie sein soll, statt wie sie wirklich ist.“(S. 76) Auch eine Methode. Für jede Wahnvorstellung die passende Verkleidung gibt es natürlich auch und Themenlokale für jedwede Verstiegenheit obendrein. Was Wunder, dass die Psychoanalyse in Japan nie richtig Fuß fassen konnte.
Also ran an das Buch und eine vergnügliche Zeit damit verbracht!



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