Vom Laufen und so Zeug
Buchtitel: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
Autor: Haruki Murakami (aus dem Japanischen von Ursula Gräfe)
Verlag, Erscheinungsjahr: btb, 2010
ISBN 978-3-442-73945-5
Mit dem Laufen hat es so seine Bewandtnis: Entweder man macht es, oder man unterlässt es. Dazwischen ist nichts, außer einem verloren wirkenden Dasitzen in Schanigärten und die Leute dabei beobachten wie sie sich an einem vorbeibugsieren. Bücher übers Laufen gibt es zum Fische füttern. Im Grunde ein recht überflüssiges Genre. Damit ist freilich nicht die körperliche Ertüchtigung denunziert – man entsinne sich des alten Lateinerspruchs mens sana in corpore sano – sondern das gewiefte Brevier verworfen, das die eigene Anstrengung einem abzunehmen in Aussicht stellt.
Von dem Ratschlägergefasel ist Murakamis Buch zum Glück meilenweit entfernt und es liest sich auch recht bequem für Leute, die mit Sport im allgemeinen, und Jogging im besonderen, nicht sehr viel am Hut haben. So erfährt man darin einiges über den disziplinierten Schreibianer Murakami, das man bisweilen in Interviews mit ihm nicht zur Sprache gebracht fand. [Die Chose mit dem Jazzclub, den er jahrelang mit seiner Frau gemeinsam in der Nähe des Bahnhofs Setagaya unterhielt, dürfte ja hinlänglich bekannt sein. Welche Quälerei indes die Anfänge seiner Schreiberei, Stunden abgetrotzt, die einer besser zum Schlafen verwenden sollte, bedeuteten, eher nicht.]
Angenehmerweise ist das Buch auch kein allgemeiner Aufruf, die Trägheit zu überwinden und sich die Laufschuhe überzustreifen und allen, die dies nicht vermögen (zum Beispiel weil sie mit zunehmendem Lebensalter allmählich schwabbelig werden) ein schlechtes Gewissen einzureden. Der härteste Konkurrent des Sportlers ist bekanntlich die Selbstüberschätzung. Was man dagegen tun kann, damit einem nicht vorzeitig die Puste ausgeht, behauptet Murakami gar nicht zu wissen, er beschreibt aber wie er sein Training angelegt hat um zu verhindern, dass ihm die Puste vorzeitig ausgeht. Ein bisschen Selbstbeherrschung und Zurechtweisung des ‚inneren Schweinehunds’ ist natürlich schon dabei, sonst könnte ja jeder…
Murakami hat die historische Strecke von Marathon nach Athen (wegen des berüchtigten Smogs in der griechischen Hauptstadt allerdings verkehrt herum) erlaufen – eine Strapaze in brütender Hitze, die einem Respekt abnötigt oder einen an die Stirn tippen lässt. Der Mann hat nicht nur in den USA bei Laufwettbewerben mitgehalten, sondern sich immer wieder auch in Japan abgewurschtelt (etwa bei einem 100 Kilometer-Ultra-Marathon auf Hokkaido). Gute Nacht, keinen Neid!
Das Buch hat auch richtig schöne Sätze, die tiefschürfende Erkenntnisse offenbaren. Etwa den über die Schule: „ Das Wichtigste, das wir dort lernen, ist, dass man die wichtigsten Dinge nicht in der Schule lernt.“(S. 46) Hat Pierre Bourdieu auch nicht treffender formuliert.
Das Geständnis: „Ich bin ein Mensch, der besonders gern für sich ist.“(S. 21) habe ich so ähnlich kürzlich auch bei Bukowski gelesen: „Menschen höhlen mich aus. […] Am wohlsten fühle ich mich mit mir selber […]“ (Bukowski, Charles: Den Göttern kommt das große Kotzen, Köln 2009, 3. Aufl., S. 25).
Man braucht den Musikgeschmack Murakamis nicht unbedingt zu teilen (er führt immer wieder an, was er während des Laufens hört), aber als Schreibender ist er eine Klasse für sich.
Ach ja, das Laufen ist auch eine schöne Metapher für das Leben – bloß nicht innehalten. Und dass man trotzdem nichts und niemandem davonlaufen kann (vor allem nicht vor sich selbst), weiß sowieso jeder, der nicht völlig plemplem ist.
Gute Lektüre, kurzweilig!
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