Ein Begriff und seine wandelnde Bedeutung

Buchtitel: Makoto und Aufrichtigkeit
Autor: Gerhard Bierwirth
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2009
ISBN 978-3-89129828-2

Von Fritz Mauthners legendärem ‚Wörterbuch der Philosophie’ hieß es zuweilen, darin würden die heiligen Kühe gleich herdenweise geschlachtet. Gerhard Bierwirth hat bereits in seiner Arbeit über die „notorische Samurai-Fibel Hagakure“(S. 36) gezeigt, dass der schöne Vogel Phantasie reichlich Federn lassen muss, wenn man ihn einmal genauer unter die Lupe nimmt. Ganz in dieser fröhlichen Tradition des Heilige-Kühe-Schlachtens präsentiert sich nun auch dieses Werk. Das ist im besten Sinne anti-ideologisch und schon darum höchst notwendig. Allein, nur Freunde schafft man sich auf diese Weise bestimmt nicht. Aber Bierwirth scheint sowieso der Unerschrockenen einer zu sein.
Eingeführt als Literaturwissenschaftler, verfügt der Autor nicht nur über profundes Wissen zur europäischen Geistesgeschichte und scheint über deren komplexe Verwerfungen stets im Bilde, die intimen Kenntnisse der japanischen Kulturgeschichte sowie der Sprachentwicklung nötigen Respekt ab. Mir als Dilettanten (gleichwohl nicht im Sinne Friedells) ist schleierhaft wie ein einziges Leben dazu ausreicht, das alles elegant in die Birne zu bekommen.
Im Mittelpunkt der Abhandlung steht die Begriffsgeschichte des Ausdrucks makoto, der im Deutschen halbwegs mit Aufrichtigkeit (Englisch: sincerity) wiedergegeben wird. Vor dem Hintergrund des europäischen Aufrichtigkeitsdiskurses wird die vermeintliche Übernahme der europäischen Konnotation im Japan der Meiji-Zeit als Sinn stiftend für die Konstituierung der sich wandelnden Gesellschaftsverhältnisse durchleuchtet. Es geht dabei „um die Möglichkeit einer gemeinsamen europäisch-japanischen Produktion kultureller Konstrukte.“(S. 116)
Die Sache mit der „invention of tradition“(Hobsbawm) wird gar nicht als Zwangsläufigkeit geschildert, wiewohl einem klar zu werden beginnt, „wie eingeschränkt die politischen Optionen der Umgestaltung Japans in der Meiji-Zeit waren und warum diese Umgestaltung der japanischen Gesellschaft letztlich so ‚konservativ’ geraten ist.“ (S. 142)
Das Buch ist im Grunde eine Pflichtlektüre für alle, die mit der japanischen Kulturgeschichte befasst sind. Für Geisteswissenschaftler sowieso. Also ein ganz wichtiges Buch!



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