Japans alternde Gesellschaft

Buchtitel: Die Gesellschaft Japans. Arbeit, Familie und demographische Krise
Autor: Florian Coulmas
Verlag, Erscheinungsjahr: C. H. Beck, 2007
ISBN 978-3-406-54798-0

Wie der Untertitel des Buches offenbart, handelt es sich nicht um ein Kompendium das die Darstellung der zeitgenössischen, japanischen Gesellschaft in all ihren Spielformen zum Gegenstand hat. Vielmehr verhandelt der Autor darin ein virulentes Problem, das auch für einige Staaten Europas bereits symptomatisch wird: der Überalterung der Bevölkerung und den damit verbundenen, vielfältigen Herausforderungen.
Japan hat heute eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit, bei gleichzeitigem Anstieg der Lebenserwartung. Immer mehr aus den Berufsfeldern heraus gelöste ältere Menschen stehen jüngeren Menschen in verwandelten Verhältnissen des Arbeitslebens gegenüber.
Als ein Schlüssel für die sinkende Bereitschaft für Nachkommenschaft zu sorgen scheint das Geschlechterverhältnis ausgemacht. Tatsächlich sind damit subtile Relationen angezeigt, die im Auf und Ab der japanischen Geschichte gestaltet und umgeformt wurden und denen schwerlich in den Fragebögen empirischer Erhebungen zu Lebensgestaltung und Selbstverständnis auf die Spur zu kommen ist, solange das unbewusste Wirken der Vergangenheit im Jetzt nicht auch nur annähernd eingekreist werden kann. Ob wirklich von einem „Gebärstreik“ der Frauen gesprochen werden kann, wie ihn die Soziologin Chizuko Ueno (zitiert auf S. 16) als Reaktion auf den Machismo definieren zu können meint, darf gerade vor diesem Hintergrund beargwöhnt werden. Faktum ist: „ Seit den 1970er-Jahren ist ein Anstieg der unverheirateten Bevölkerung zu beobachten.“(S. 22) Schuld an dieser Entwicklung trägt aber weniger ein dingfest zu machender Hedonismus, viele junge Männer und Frauen heiraten deshalb nicht, „weil sie es sich nicht leisten können.“(S. 24)
Die japanischen Regierungen haben die prekäre Situation seit geraumem in den Blick genommen und mit einer Reihe von Gesetzen die Rahmenbedingungen zu verbessern initiiert, unter denen es Frauen und Männern vermeintlich aussichtsreicher gelingen sollte, Kindererziehung und berufliche Weiterentwicklung unter einen Hut zu bringen. Allerdings verweist der Autor auf Widersprüchlichkeiten und Inkongruenzen der Politik (S. 209 f.). Erfolge der verschiedenen Maßnahmen können indes nicht wirklich gemessen werden und die Prognosen schildern allesamt ein recht düsteres Szenario, dem auch mit einer möglichen Forcierung der Einwanderung nicht wirklich beizukommen ist. (S. 175 ff.)
Die geriatrische Gesellschaft sieht sich vor die Herausforderung der Betreuung von Betagten gestellt, die sich auf die traditionellen familiären Bande nicht mehr verlassen können. So wird auch die „Vergesellschaft der Pflege“(S. 110) unausweichlich und ist mit entsprechenden, soziopolitischen Maßnahmen zu dirigieren.
Florian Coulmas präsentiert keinen Katalog von Patentlösungen. So sehr Japan in wirtschaftlicher Gestaltung, technischer Innovationskraft und Integration elektronischen Know-hows in den Alltag Vorbild sein kann, so wenig steht heute fest, was sich Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland oder Österreich von Japan abschauen können, die Folgen der demographischen Entwicklung adäquat zu kompensieren.
Der Autor bietet mit dem vorliegenden Werk einen profunden Anstoß die Situation im eigenen Land verstärkt zu reflektieren.



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