Wie Japan Japan wurde

Buchtitel: Die Erfindung Japans. Kulturelle Wechselwirkung und nationale Identitätskonstruktion
Autor: Shingo Shimada
Verlag, Erscheinungsjahr: Campus, 2007 (2. Aufl.)
ISBN 978-3-593-38224-1

Der Verfasser ist, gemäß Verlagsinformation, Professor für Modernes Japan am Ostasien-Institut der Universität Düsseldorf.
Für Leserinnen und Leser, die mit den Problemstellungen der vergleichenden Kulturwissenschaften einigermaßen vertraut sind, mögen gewisse Passagen des Buches etwas redundant anmuten. Und wer mit Sociologica eher wenig am Hut hat, dem mag manches etwas schwerfällig ankommen. Ansonsten ist das Werk aber eine sehr brauchbare Handreichung, die über die Art und Weise wie Japan das geworden ist, was es ist, eine Fülle an Hinweisen bietet. So hat es vor der Meiji-Ära ein „Japan-Bewusstsein“ gar nicht gegeben, geschweige denn die Einübung in die Vorstellung von der Besonderheit des Japaner-Seins. Die komplexe Herausbildung des „Tenno-Staates“ in Abarbeitung an westlichen Legitimitätstheorien von Herrschaft entwickelte sich unter anderem vor der Notwendigkeit einen Repräsentanten des Staates – auch dieser Begriff fließt erst im 19. Jahrhundert in den japanischen Diskurs ein – nach außen kenntlich zu machen. Dass sich die Entwicklungen nicht ohne Widersprüche und vor allem Widerstände vollzogen, wird in Unkenntnis der Verhältnisse gerne übersehen. Allein, dass die Einführung des Staats-Schintoismus nicht ohne Widersetzlichkeit von Menschen, die um ihre lokalen Schreine fürchteten, vonstatten ging, entnimmt man dem Buch als wichtigen Hinweis. Dass im Gefolge der so genannten Restauration das Phänomen der (vermeintlichen) Sichtbarkeit der Macht zutage trat, wird in anderen Büchern oft viel zu beiläufig abgehandelt. Tatsächlich waren die Machthaber vor der Ära Meiji als Personen für die Bevölkerung gar nicht präsent und der Tenno als Abkömmling des Himmels physisch nicht existent. Die nationalistisch-ideologischen Verdichtungen, die in der bekannten Hybris der Kriegskampagnen gipfelten, werden von Autor anhand ausgewählter Vertreter und ihrer Auseinandersetzungen mit dem Gedankengut des Westens dargestellt.
Als besonders interessant erweist sich der Hinweis auf den Gelehrten Minakata Kumagusu (S. 151 ff.), einem Universalgenie. Zur Problematik der Übersetzbarkeit von im jeweiligen kulturellen Kontext konnotierten Begriffen, gewinnt er einen Ansatz, der ihn seiner Zeit und der Qualität des herrschenden Diskurses weit voraus sein lässt. Minakata gelang nichts weniger als der Nachweis, dass „die europäischen und asiatischen Kulturen durch Übersetzungsprozesse von alters her verbunden gewesen waren.“(S. 155). In einer Epoche der wechselseitigen Abgrenzung zur Unterstreichung der eigenen Überlegenheit eine ganz und gar unzeitgemäße Erkenntnis.
Wer immer am Japan-Diskurs interessiert ist, der greife zu dieser Lektüre!



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