Tadao Ando
Buchtitel: Tadao Ando
Autor: Philip Jodidio
Verlag, Erscheinungsjahr: Taschen, 1997 [dreisprachige Ausgabe]
ISBN 3-8228-7869-3 [im regulären Buchhandel vergriffen]
Oft ist nichts weniger zwingend als ein Vergleich. Aber als ich mich das erste Mal mit dem Werk des japanischen Architekten Tadao Ando konfrontiert sah, fühlte ich mich ein wenig an Carlo Scarpa erinnert. Zumindest was den skulpturalen Glanz der Oberfläche unbehandelten Sichtbetons in beider Schaffen angeht, scheint eine solche Analogie durchaus nahe liegend. Für Leute, denen das alles wenig sagt: Ando ist der wahrscheinlich berühmteste zeitgenössische Architekt Japans. Noch dazu Autodidakt, wenngleich er sich selbst hin und wieder auf Le Corbusier und Louis Kahn beruft. [In Österreich drängt sich einem beim Stichwort “autodidaktischer Architekt” automatisch ein Gewirks aus Kitsch & Krampf ins Gedächtnis: Hundertwasser- und Häuslbauertum.] Gerne wird von Aficionados kolportiert, Ando hätte sich als Boxer durchgeschlagen, ehe er 1969 in Osaka ein Architekturbüro eröffnete. Wie auch immer, der Mann baut seit Jahren einfach zum Niederknien. Der König Midas des Bauwesens. Egal ob Einfamilienhaus, Firmenkomplex, Museumsgebäude, Tempel oder Kapelle – Projekte, die er in die Hand, nimmt werden zu Gold.
Diese leider vergriffene Werkschau von Philip Jodidio, stellt eine Auswahl von vornehmlich (aber nicht nur) in Japan realisierten Bauten vor. Spektakuläre Aufnahmen nehmen so für die Objekte ein, dass man augenblicklich die Koffer packen möchte, um sich nach dem Land der aufgehenden Sonne aufzumachen.
Zwei Bauwerke seien kurz näher geschildert.
Kirche des Lichts, Osaka (S. 84 ff.): Die kleinwinzige Kirche, errichtet inmitten – wie könnte es in Japan auch anders sein? – verbauten Gebiets, ist von rechteckigem Grundriss. Ein völlig schmuckloser Betonkasten, mit leicht ansteigendem Innenraum; Interieur aus dem Holz geschwärzter Gerüstplanken. Die Situation im Eingangsbereich wird durch eine frei stehende Mauer, die den Kasten schneidet, besonders eigenwillig akzentuiert. An der Stirnseite hinter dem Altar durchbricht ein kreuzförmiger Lichteinlass, der ursprünglich unverglast hätte bleiben sollen, die Betonmauer. Selten ist in einem Sakralbau das erstrahlende Kreuz so einnehmend gelungen wie hier. Und zwar einfach durch Aussparung.
Nariwa Museum, Okayama (S. 152 ff.): Das Museum beherbergt die Arbeiten des japanischen Impressionisten Torajiro Kojima und ist selbst ein Kunstwerk. An einer dicht befahrenen Straße gelegen, eröffnen sich seine Räumlichkeiten gegen einen bewaldeten Hang. Zwischen großzügigen Fensterfronten und der üppig wuchernden Natur liegen künstliche Teiche. Die Atmosphäre ist von einem Duktus berückender Ruhe und Klarheit getragen, die einmal mehr die “Architekturformel” Andos verdeutlichen: Leere, einfache Formen, frappierende Effekte.
[Eine umfangreichere Ausgabe ist 2004 im gleichen Verlag erschienen unter dem Titel: Ando. Complete Works, ISBN 3-8228-2164-0]
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