Grundlagen des japanischen Kaisertums

Buchtitel: Shintō und Tennō-System. In 15 Vorträgen
Autor: Ernst Lokowandt
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2019
ISBN 978-3-86205-129-8

In diesen Tagen, in denen Britanniens Thronfolgerpaar mit Nachwuchs gesegnet ist, ziert Kolportage über europäischen Hochadel nicht nur die Boulevard-Blätter. Und in Thailand inthronisiert sich der neue König soeben in einem übers Jahr sich hinziehenden Zeremoniell. Mit deutlich reduzierterem Brimborium wurde in Japan der nunmehr 126. Kaiser, Naruhito, ins Amt gesetzt und eine neue Regierungsdevise, reiwa, ausgegeben. Aber trifft das überhaupt zu, zu sagen, der Tennō bekleide ein Amt? Und wie verhält es sich mit seiner Eigenschaft als Himmelssohn? Haben japanische Kaiser ein Privatleben, währenddessen sie Gefahr laufen könnten von Paparazzi gestellt zu werden wie der schwedische Gustav oder der spanische Juan Carlos?
Auf diese und seriöse Fragen weiß Ernst Lokowandt profund Antworten zu geben. In mehreren, einander ergänzenden Kapiteln wird den Lesern das Wesen des japanischen Kaiserhauses erschlossen. Der Vortragsstil kommt einem Verständnis der durchaus nicht unschwierigen Materie zupass. So erfährt man einiges über Charakteristik und Entwicklung des Shintō und warum es wenig Sinn macht, die gerne als autochthone japanische Religion bezeichnete ebensolche mit den uns vertrauten zu vergleichen, in denen nicht selten das Blaue vom Himmel gepredigt und den Gläubigen so manches Los erst auferlegt wird. Dass man an Schreinen durch Händeklatschen nicht die kami auf sich aufmerksam macht, wie man mitunter lesen darf, auch das rückt Lokowandt zurecht.
Das Agieren der historischen Kaiser seit der Meiji-Zeit, wird verständlicher, wenn man, den Ausführungen des Autors folgend, erkennt, dass der Tennō seit der Restauration (wie zuvor natürlich auch) nie selbstverantwortlich (oder wie in Europa: von Gottes Gnaden) auftrat. Sowohl die japanische Verfassung, als auch das sogenannte Hofgesetz steckten und stecken den Rahmen ab. Im Falle von Unvorhergesehenem, wie der Abdankung des heisei-Tennōs aus gesundheitlichen Gründen, zimmert das Parlament eben begleitende Gesetze für das (historische) Einzelfallereignis.
Das Einvernehmen der Japaner mit dem Tennō als von Pragmatismus und Traditionsbewusstsein getragen zu erachten, wäre allerdings ein Trugschluss. Als Nummer 1 im Staat fungiert er vielmehr als moralische Autorität ohne Macht. Woraus zu folgern sich aufdrängt, dass diejenigen, die die Macht innehaben, sich ihrer moralischen Integrität in allen Handlungen schlichtweg nicht gewahr sein können. (Und die Kurzlebigkeit so mancher Spitzenpolitikerkarriere scheint das auch noch zu belegen.)
Der Tennō ist kein Mann (und in fernerer Zukunft hoffentlich auch keine Frau) vom Mond, sondern von Welt. So hat Akihito beispielsweise sämtliche Provinzen Japans bereist, er ließ es sich nicht nehmen, zusammen mit seiner Gattin, Kaiserin Michiko, Leidtragende der Katastrophe von Fukushima aufzusuchen. Außerdem pflegte er die Tradition, sich von heimkehrenden Diplomaten über die Lage in fremden Ländern ins Bild setzen zu lassen, was man als Einholen von Informationen aus erster Quelle verstehen kann. Zudem wurden ihm vertrauliche Nachrichten aus den Ministerien zugebracht, womit der erste Mann im Staate gleichsam als der am besten unterrichtete erscheinen muss. Das alles freilich ohne das Ergebnis seiner Meinungsbildung je der Öffentlichkeit kundzutun. Stattdessen gilt: „Der Tennō enthält sich jedweder Meinung. Der Tennō vereint das Volk nicht durch Führung oder eine bestimmte Handlung, er tut es vielmehr durch seine Existenz.“(S. 176)
Dass Japan ohne Tennō-System schlichtweg nicht vorstellbar ist, macht die Lektüre der einprägsamen Lektionen dieses Buches einsichtig.



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