Die Kultur der Votivtafeln

Buchtitel: ema. Motiv und Hintergrund japanischer Votivtafeln
Autorin: Angelika von Ortenberg
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium 2012
ISBN 978-3-86205-134-2

Warum sich das Wort ema aus dem Kanji für Bild, e, und jenem Schriftzeichen für Pferd, ma, zusammensetzt, erschließt sich aus Folgendem: „Hochstehende Personen erhielten im frühen Japan lebendige Pferde als Grabbeigabe.“(S. 13)
Die Votivtafeln, bzw. -täfelchen, die Mann und Frau an Shintō-Schreinen oder vor buddhistischen Tempeln erwerben kann und an eigens dafür vorgesehenen Unterständen ablegt oder ins Strauchwerk der näheren Umgebung hängt, dienen in Anrufung eines Schutzgeistes oder einer Shintō-Gottheit vor allem den Lebenden. Sie erbitten Beistand, hoffen auf Glück und gutes Gelingen oder drücken ihre Dankbarkeit aus für in Erfüllung gegangene Wünsche. Angelika von Ortenburg hat mit dem reichhaltig illustrierten Buch ein Kompendium vorgelegt, das Interessierten auf vielfältige Art dienlich sein kann. Es bietet zum Beispiel eine Zusammenschau der wichtigsten Protagonisten der japanischen Mythologie. Tatsächlich sind die verwandtschaftlichen Verschränkungen der Götter und der mit den Göttern Verbandelten reichlich verworren. Wer sich bei der Befassung mit dem griechischen Pantheon bereits in seine Schranken gewiesen fand, dem wird der Durchblick im mythologischen Kosmos Japans unter Umständen auch nicht leicht ankommen. Der Nebeneffekt, anhand von Votivtafeln, welche Aspekten und Inkarnationen eben dieser Mythologie verpflichtet sind, etwas Ordnung zu schaffen, war von der Autorin wahrscheinlich gar nicht beabsichtigt, erweist sich dennoch aber als sehr nutzbringend. Die Sonnengöttin und ihr zum Aufbrausen neigender Bruder – ja eh, aber was noch gleich hat sich Ninigi no mikoto in den Augen seines Schwiegervaters zuschulden kommen lassen, auf dass seine Nachkommen, und mithin alle Japaner, sterblich geworden sind? Kann man nachlesen in der Beschreibung jenes Täfelchens, das Konohanasakuyahime mit ihren Attributen wiedergibt und vom Fuji Sengen Jinja ausgegeben wird (S. 47 f.).
Außerdem erfährt man einiges über Tiere als Götterboten (stellvertretend genannt seien die dreifüßige Krähe und der zwielichtige Fuchs), den östlichen Tierkreis und wie der Hase dazu kommt im Mond mochi zu stampfen, über Naturgottheiten und die sieben Glücksgötter, bedeutende Historien und Legenden (beispielsweise über Momotarō oder einen yamabushi namens Benkei), über den Ablauf von Schreinfesten und endlich bei wem Mann oder Frau welche Wünsche deponiert. Im Zweifelsfalle wende man sich an einen tengu.
Eine Karte der erwähnten Orte sowie Glossare der religiösen wie der historischen Namen und der japanischen Begriffe ergänzen das Werk, das Handbuchcharakter hat und einem großen Leserkreis empfohlen werden kann. Nicht zuletzt vermag es auch Japan-Reisenden ein dienlicher Behelf zu sein.
Abschließend sei Kritikern der Devotionalienkultur der Pragmatismus eines Niels Bohr in Erinnerung gerufen, der in seiner Hütte ein Hufeisen – natürlich mit der Öffnung nach oben – hängen hatte, das einen Besucher zur Frage verleitete: „Sie glauben daran?“. Bohr antwortete: „Keineswegs, aber man hat mich versichert, es helfe auch wenn man nicht daran glaubt.“



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