Betrachtungen einer Überlebenden
Buchtitel: Verstrahltes Leben
Autorin: Hayashi Kyōko. Aus dem Japanischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Peter Raff. Mit einem Aufsatz zur Autorin von Mika Kunz
Verlag, Erscheinungsjahr: Angkor, 2011
ISBN 978-3-936018-81-3
Ursprünglich sollte die zweite US-amerikanische Atombombe im Kriegseinsatz nicht über Nagasaki, sondern über Kokura gezündet werden. Schlechtes Wetter über dieser Stadt im nördlichen Kyūshū bescherte Nagasaki die Bombe, löschte das Leben von mehr als 74 000 Menschen aus und verwundete noch einmal so viele. Hayashi Kyōko überlebte als junges Mädchen in einer der Randzonen des Epizentrums, was nahezu einem Wunder gleichkommt. Tatsächlich zeigten sich an ihr wenig später Symptome der Strahlenkrankheit. Ihr Leben als Hibakusha ist das Movens ihrer schriftstellerischen Existenz und wie der Übersetzer in seinem Nachwort bemerkt, gilt Hayashi Kyōko als die „bedeutendste lebende Vertreterin der ‚Atombomben-Literatur’“(S. 135).
Das Buch enthält zwei Alterswerke der Autorin, zum einen den Titel gebenden Text, dessen Übertragung des Originaltitels „Erfahrungen eines langen Menschenlebens“ lautet, sowie die Erzählung „Von Trinity nach Trinity“. Ersterer beschreibt einen Pilgerweg zu 33 Tempeln auf der Miura-Halbinsel, dem die Autorin im steten Nachdenken über ihre verschwundene Freundin Kana und weitere Lebens- wie Leidensgefährtinnen folgt. Dabei reflektiert sie immer wieder die Ungeheuerlichkeit des Ereignisses vom 9. August 1945, führt eine eindringliche Anklage gegen die Atombomben-Staaten und den Wahnsinn der Nukleartests. Der angeblichen Segnung des Atomzeitalters lässt sich nach ihr unmöglich eine andere Symbolkraft beimessen als jene der Hybris. Mit der Zündung der Atombomben hat die Menschheit eine Schwelle überschritten, die letztlich allen zum Schaden gereicht. In New Mexico, auf dem ehemaligen Atombombentestgelände von Alamogordo, das wie ein anachronistisches Nationalheiligtum gepflegt wird, tatsächlich ist alles „bis hin zum Staub an den Schuhen der Besucher, (…) ein öffentlich zugängliches Staatsgeheimnis“(S. 126), kommt ihr in den Sinn, das die ersten Leittragenden die Kreaturen, die Tier- und Pflanzenwelt im und um den „Ground Zero“ gewesen sind. Als sie vom Unglück in Tōkai-mura erfährt, setzt sie des nächtens einen Brief an ihre Freundin Rui auf. Auf die folgenschweren Ereignisse vom 30. September 1999 in der Wiederaufbereitungsanlage wird allerdings nicht weiter eingegangen. Es bleibt die Bürde, die einer Hibakusha inmitten einer oft teilnahmslosen Welt auferlegt ist, nämlich an der Wirkungslosigkeit ein warnendes Beispiel zu geben nicht zu verbittern.
Ein beklemmendes, traurig stimmendes Buch.
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