Wasserleichen im japanischen Volksglauben
Buchtitel: Die Verehrung von Wasserleichen und ihre Stellung im japanischen Volksglauben
Autor: Christian Göhlert
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2010
ISBN 978-3-86205-001-7
Ehe man sich über die schillernden Ausformungen des japanischen Volksglaubens verwundert, sollte man sich vielleicht verschütteter Traditionen in den heimischen Überlieferungen vergewissern. Aberglauben und Alltagsmagie scheinen, der forcierten „Entzauberung der Welt“(Max Weber) zum Hohn, von ungebrochener Wirkkraft auch in unseren Breiten. Eine Magisterarbeit zu einem leicht exotisch anmutenden Aspekt der japanischen Kultur mag dazu anregen über die eigenen Verhältnisse nachzudenken, das Verständnis der fernöstlichen zu vertiefen, dazu verhilft sie allemal.
Als Schwachpunkt des Unterfangens einer Beschreibung von Ritualen des Fischereiwesens ließe sich vielleicht anführen, wie in der Fußnote 369 (S. 108) vermerkt, dass mit dem Ersetzen von Schiffen überkommener Bauart in Holz durch solche industriell gefertigte aus Metall, auch einer gewissen Formenvielfalt der zu tun und zu unterlassenden purifizierenden Handlungen die Voraussetzung genommen scheint. Und im Zusammenhang mit Wasserleichen gelten freilich auch im Japan der Gegenwart die Vereinbarungen, die einem Gemeinwesen auf verbindlicher Rechtsgrundlage zukommen. Was Wunder also, dass der Verfasser der Untersuchung einräumt: „Vieles deutet darauf hin, dass der Brauch, Wasserleichen als Glücksbringer zu verehren, im Verschwinden begriffen ist.“(S. 115)
So gesehen erfolgt die Annäherung an den Forschungsgegenstand wohl eher retrospektiv, wenngleich er sich rasch von einer Komplexität herausstellt, die eine Vielzahl von über den Rahmen dieser Arbeit hinausweisenden Fragen aufwirft und den Autor möglicherweise auch in Hinkunft mit der Materie weiter befasst sein lässt. Allein die Aspekte der Unreinheit, die sich im Begriff des ‚kegare’ finden, widerspiegeln eine beeindruckende Vielfalt, die von der Geburt bis zum Tod Puristen alles Mögliche beachten und bedenken lässt. Der Mythos als Welterklärung, der ja dafür steht was nach Luhmann die „Reduktion von Komplexität“ betreiben heißt, also auch der Kontingenz beizukommen sucht, ist selbst keine einfache Beschreibung der Wirklichkeit. Auch der Volksglaube liefert keine einfache Erklärung der Welt. Und wie schon Ulrich Schnabel in „Die Vermessung des Glaubens“ anführt, macht es wenig Sinn die eine Tradition gegen die andere aufzuführen. Ihrer Wirkmächtigkeit im jeweiligen kulturellen Kontext nachzugehen, dafür aber schon.
Dass volkstümliche Vorstellungen nicht (nur) im Dunkel der Vergangenheit Platz greifen, bezeugt beispielsweise der Glaube an die Geister abgetriebener Föten, der sich gerade einmal vor vierzig Jahren durchsetzte (vgl. Fußnote 83, S. 36).
Und wie erinnerlich wurde vor nicht allzu langer Zeit dem Badewasser von Shōkō Asahara wundertätige Wirkung beigemessen. (Ein schwunghafter Handel mit in Fläschchen abgefülltem Gebrauchtbadewasser ist freilich daraus nicht erwachsen.)
Eine kurzweilig zu lesende wissenschaftliche Arbeit, die nicht nur den an den autochthonen Glaubensvorstellungen Japans Interessierten ans Herz gelegt werden kann.
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