Eine Amerikanerin in Japan

Dass Japanerinnen außerhalb Japans weltweit reüssieren, scheint sich mittlerweile herumgesprochen zu haben (Musikerinnen, Designerinnen, Architektinnen, Schriftstellerinnen, Wissenschaftlerinnen, Unternehmerinnen, Bergesteigerinnen, Köchinnen, …). Umgekehrt geht’s aber auch: Sich als Ausländerin in Japan etablieren. Bloß kriegt man in Europa davon nicht so viel mit. In der Samstag-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung berichtete Brigitte Böttcher über die 37-jährige Amerikanerin Sarah Cummings, die in dem Kaff Obuse (nördlich von Nagano) eine traditionsreiche, aber dennoch marode Sake-Brauerei [Masuichi-Ichimura] auf Vordermann brachte und mittlerweile Japanisch flüssiger parliert als ihre Muttersprache. Eingestellt wurde sie von der de facto bankrotten Brauerei aus bloßer Neugierde und wohl weil man sich dachte: Ist eh schon wurscht. Natürlich bekam sie statt eines klar definierten Aufgabenfeldes als Entree zunächst einmal einen Putzlappen in die Hand gedrückt. [Die Unart, hoch qualifizierte Frauen auf Positionen lächerlichen Niveaus zu halten, deren sich selbst renommierte japanische Firmen bedienten, ist dem Vernehmen nach im Verschwinden begriffen.] Dem Ehrgeiz der Amerikanerin tat das keinen Abbruch. Sie vermochte die Umwandlung der verschlafenen Betriebskantine in ein quirliges Restaurant durchzusetzen und den stagnierenden Absatz von Sake anzukurbeln, nicht zuletzt durch Rückbesinnung auf die traditionelle Braumethode in Zedernholzfässern. [Der Nirostatank hat also nicht nur in der Weinproduktion fröhliche Urständ gefeiert!] Heute ist Frau Cummings nicht nur eine der wenigen ausländischen Sake-Sommelière in Japan, sondern wird als gefragte Beraterin in der gesamten Branche herumgereicht.

Quelle:
Böttcher, Brigitte: Aus einer anderen Welt. Als Sarah Cummings 1994 bei einer japanischen Sake-Brauerei anfing, hatte keiner auf die Amerikanerin gewartet – heute gibt es sogar einen Comic über ihren Erfolg [Süddeutsche Zeitung (137), 17./18.6.2006, S. 24]

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