Comic-Meister
Buchtitel: Von der Natur des Menschen
Autor: Ryuichiro Utsumi [Aus dem Japanischen von John Schmitt-Weigand] ; Zeichner: Jiro Taniguchi
Verlag, Erscheinungsjahr: Carlsen, 2009
ISBN 978-3-551-78976-1
Gleich vorweg: Hierbei handelt es sich keineswegs um einen Manga. Dafür sind die Zeichnungen von Jiro Taniguchi zu inhaltsreich. Sie stellen unaufgeregten Geschichten gewissermaßen das bildgebende Verfahren, vermögen auf diese Weise aber vermeintlichen Banalitäten einen ganzen Ereignisraum zuzumessen. Dass Comics auch mit Kunst zu tun haben können, nicht nur mit Krixikraxi für die Zerstreuung, hat Taniguchi schon mehrfach unter Beweis gestellt, von den obligatorischen internationalen Auszeichnungen, die dieser verdientermaßen bekommen hat, erst gar nicht zu reden.
Nehmen wir die Geschichte „Das weiße Holzpferd“ – darin geht es zunächst um das Verhältnis eines in die Jahre gekommenen Ehepaares zu ihrer Enkelin Hiromi. Ein wunderliches Kind, das sich eine Zeitlang in einer scheinbaren Trotzhaltung gefällt und sich im Vergnügungspark für das Dargebotene nicht recht zu begeistern vermag, bis es ihr ein schlichter Schaukelautomat antut. Im weiteren Verlauf der Handlung wird deutlich, wie das kleine Mädchen unter der Unaufmerksamkeit ihrer alleinerziehenden Mutter leidet und ihr Verhalten aus der Furcht je wieder alleingelassen zu werden resultiert. Wie in der Schlusssequenz das plötzliche Verständnis des Großvaters für die Eigenart seiner Enkelin aufblitzt, ist im Bild-/Blick-Wechsel zwischen Großeltern und dem Gesichtsausdruck der kleinen Hiromi sehr berührend – aber keineswegs rührselig – eingefangen.
Dieser, die Dinge klärende Schluss, ein Mann, der im Rahmen einer Ausstellung die Malereien seiner herangewachsenen Tochter, um die er sich nie gekümmert hat, bewundert und sein Fehlverhalten schließlich einsieht („Das Wiedersehen“), eine junge Witwe die endlich die Seelenverwandtschaft zu ihrer Schwiegermutter herzustellen vermag („Seine Heimat“), ist immer zurückhaltend und dennoch effektvoll inszeniert
Momente, die einen sehr nachdenklich werden lassen. Wer oder was ist es, den oder das man in seinem eigenen Leben übersah, übersieht, übersehen wird? Die eigene Tragödie gehört einem selbst und nicht immer verhilft einen späte Einsicht zur Versöhnung mit den Schatten der Vergangenheit.
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