Forschungsberichte über eine Weltstadt
Buchtitel: Tōkyō. Konstruktion einer Metropole – sozial, politisch, kulturell, historisch
Herausgeberin (u.a.): Elke Hayashi-Mähner
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2008
Taschenbuch der OAG (Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens) ; 89
ISBN 978-3-89129-938-8
Dass, wenn von Tokio die Rede ist, man vorab in den Blick nehmen sollte, worüber man genau genommen spricht, darauf wird von den Herausgeberinnen und Herausgebern dieses Studienbandes im Vorwort hingewiesen: „Heute ist Tōkyō verwaltungstechnisch in 23 ku mit Stadtcharakter und weitere 24 Städte (shi) untergliedert.“(S. 5) Wer kann das noch überschauen, oder sollte es zumindest von Rechts wegen vermögen? Der Bürgermeister dieser Agglomeration, der unter dem Titel ‚Gouverneur‘ seines Amtes waltet. Takeshi Kawasaki schildert in einer knappen Übersicht (S. 10 ff.) die Profilierung Ishihara Shintarōs vor dem Hintergrund der Gestaltungsmaßnahmen seiner Vorgänger. Elke Hayashi-Mähner widmet sich einmal mehr dem Tagelöhnerwesen (S. 35 ff.). Eigentlich ein Abgesang auf eine im Verschwinden begriffene Berufsgruppe, wie deutlich wird. Dem öffentlichen Verkehr Tokios, seinen Superlativen (höchstes Fahrgastaufkommen der Welt), seinen Merkwürdigkeiten (Japan kennt keine Verkehrsverbünde und ein vollständiger Liniennetzplan ist nicht zu kriegen), sowie den dräuenden Zukunftsperspektiven (vor dem Hintergrund der rasanten Überalterung der Bevölkerung, bei gleichzeitiger zunehmender Individualisierung der Lebensgestaltung) schenkt Oliver Mayer sein Augenmerk (S. 66 ff.).
Nathalie Rudolf bespricht die Entwicklung von Stadtteilgemeinschaften (S. 85 ff.) und deren integrative Bedeutung für die Identitätsbildung in einer zu Rückzug und Anonymisierung neigenden oder zwingenden urbanen Umgebung. Gesellschaftsmodelle, denen durchaus auch in anderen Weltgegenden Nachahmung zu wünschen wäre. Gar nicht mehr kurios erscheint der Umstand, dass in Tokio auch Landwirtschaft betrieben wird, wenn man den diesbezüglichen Ausführungen Noriko Kikumas (S. 118 ff.) folgt.
Matthias Pfeifer vergleicht anhand zweier Darstellungen der verschwundenen Unterstadt, Shitamachi, die nostalgischen Inszenierungen des Schriftstellers Kafū mit der graphischen Detailversessenheit des Comiczeichners Yū: À la recherche du temps perdu auf Japanisch sozusagen (S. 133 ff.). Ein bestimmtes Bilderbuch, stellvertretend für andere Tokio-Bilderbücher, unterzieht Werner Schaumann einer genaueren Untersuchung (S. 173 ff.). Nach der Lektüre nimmt sich ‚Mein Abenteuer im Bahnhof Tōkyō“ allerdings etwas merkwürdig aus.
Reinold Ophüls-Kashima ist einem Paradigmenwechsel im Tokio-Diskurs anhand zweier ausgewählter Werke auf der Spur (S. 204 ff.), Mathias Hamp beleuchtet die Architektur zweier Auslandsniederlassungen der Meiji-Zeit, Yokohama und Tsukiji (S. 225 ff.), und damit auch den Beginn der Mischmasch-Bauweise, giyōfū genannt. Christian W. Spangs Beitrag, den Anfangsjahren der OAG auf der Spur (S. 261 ff.), beschließt den abwechslungsreichen Band.
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