Meister des Holzschnitts

Buchtitel: Hiroshige
Autorin: Adele Schlombs
Verlag, Erscheinungsjahr: Taschen, 2007
ISBN 978-3-8228-5161-6

Seit Jahren erscheinen im renommierten Kölner Verlag Taschen in der Reihe „Basics“ Monographien über Künstler (und wenige Künstlerinnen; aber die haben im Kanon der Rezeption seit jeher schwerer Eingang gefunden), die von ausgewiesenen Fachleuten verantwortet werden.
Die Kunstwissenschaftlerin Adele Schlombs ist schon des Öfteren als Expertin von Asiatika in Erscheinung getreten. Das nun vorliegende Buch stellt den japanischen Künstler Hiroshige (1797 – 1858) vor. Ausgestattet ist es mit der für die Reihe üblichen Fülle an tadellos reproduzierten Kunstwerken, hier: farbige Holzdrucke, inklusive der Größenangabe der Originale. Gleich im Vorsatz werden die Standartformate japanischer Drucke erläutert, was eine gute Handreichung verspricht, sich ein Bild von den originalen Größenverhältnissen zu machen. Und noch einen Vorteil hat das Buch: Man kann sich die Reproduktionen zu Gemüte führen, ohne sich, wie im Museum, auf harten Böden die Beine in den Bauch stehen zu müssen. Es gibt also für Interessierte an der Sache keinerlei Entschuldigung dafür, sich dieses Buch nicht zu besorgen. Und nachdem es auch noch sehr preisgünstig ist, braucht man gar nicht Lichtenbergs Empfehlung zu bemühen, wonach derjenige, der zwei Paar Hosen besitzt, für diesen Zweck eines zu Geld mache.
Persönliches ist über Hiroshige wenig Verbrieftes überliefert und etliches umstritten (etwa ob und wie häufig er Reisen unternommen hat). Tatsächlich entstammte er dem niederen Samuraistand, was für einen Kunsthandwerker doch ein recht seltenes Herkommen darstellte.
Die Autorin erläutert das gesellschaftliche Umfeld der späten Tokugawa-Zeit und skizziert den arbeitsteiligen Ablauf der Herstellung von Farbholzdrucken, die in dem Maße populär wurden, wie die Menschen in Japan anfingen sich gegen verordnete Zwänge aufzulehnen. Die de facto bestehenden Reisebeschränkungen konnten etwa durch „Pilgerreisen“ unterlaufen werden. „In der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jahrhundert nahm die Pilgerlust der Japaner ungeahnte Ausmaße an.“(S. 15) Gerne bediente man sich der Landschaftsdarstellungen, um sich besonders markanter Stationen der Reisen zu erinnern.
Hiroshige beschränkte sein Schaffen allerdings nicht auf das japanische Pendant der Pastorale. Indem er Kompositionstechniken der traditionellen japanischen und chinesischen Malerei mit dem Entwicklungsstand der europäischen Künste (in Japan durch Stiche vermittelt) zusammenführte, entwickelte er alsbald einen eigenen Darstellungskanon. Schließlich wurden japanische Farbholzschnitte in der europäischen Kunstrezeption so wichtig, dass sie dort die Kunst des späten 19. Jahrhunderts maßgeblich beeinflussten. Auch darauf nimmt Adele Schlombs Bezug.
Und dass Mangas ohne die Arbeiten eines Hiroshige, Hokusai und all der anderen kaum vorstellbar sind, verwundert natürlich auch nicht. Schließlich findet bereits der Begriff im 19. Jahrhundert Eingang in den Sprachgebrauch.
Etliche Bilder sind von wirklich spektakulärer Qualität. Etwa die „Abendansicht des Sanya-Kanals und des Matsuchiyama-Hügels“(S. 71) oder „Die Strudel von Awa“(S. 40). Lebt letztere Ansicht von einer geradezu mitreißenden Dynamik, ist das Bildnis der im Nachtdunkeln flanierenden Geisha von berückender Rätselhaftigkeit getragen.
Ein, wie gesagt, tadelloser Bildband mit hervorragenden Erläuterungen [der lediglich vier Druckfehler enthält]!



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