Japan im Jahr 2020
Buchtitel: Japan 2020. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
Herausgeber/Herausgeberin: David Chiavacci, Iris Wieczorek
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2020
ISBN 978-3-86205-483-1
Dieses bewährte Jahrbuch, das sowohl den annualen (gesellschafts-)politischen Ereignisablauf bilanziert, wie auch so mancher Besonderheit einer genaueren Betrachtung unterwirft, erscheint unter der Schirmherrschaft der Vereinigung für sozialwissenschaftliche Japanforschung e.V. Aus dem vorliegenden Band seien einige Beiträge herausgegriffen.
Axel Klein und Takeshi Kawasaki spüren der Frage nach, ob Populismus als Konzept politischer Inszenierung auch in Japan Verbreitung findet. Mit Verweis auf Persönlichkeiten wie Koizumi (ehemals Ministerpräsident) oder Koike (Gouverneurin der Präfektur Tokio) eine Antwort als auf der Hand liegend zu erachten, birgt die Gefahr einer zu weit gefassten Begriffsauffassung. (Inflationär verwendet, wie im polemischen Diskurs, werden Zuschreibungen unscharf und verlieren an Aussagekraft. Außerdem büßt das Bezeichnete objektiver Vergleichbarkeit ein.) Die Autoren halten es durchaus für möglich, dass Populismus in Japan bislang nicht verfangen konnte, was, selbstredend, weiterführende Studien bräuchte, den Ursachen auf den Grund zu gehen.
Anne-Sophie L. König beschäftigt sich mit einem Aspekt des Umzugs des Tsukiji Fischmarkts, und zwar jenem, der die staatliche Risikokommunikation betrifft. Die Attraktivität des neu adaptierten Geländes in Toyosu schien zunächst durch hohe Schadstoffbelastung getrübt, während die betroffenen Zwischenhändler sich primär mit wirtschaftlichen und sozialen Risiken konfrontiert sahen. Ob dem Wachstum des Marktes als solchem nicht längst Grenzen vorgezeichnet sind, angesichts anstehender Anpassungen des Fischereiwesens an ökologische Notwendigkeiten einerseits, der demographischen Entwicklung andererseits, weist freilich über den Rahmen dieser Untersuchung hinaus.
Johannes Wilhelm zeigt die Probleme traditioneller Weidewirtschaft an einem Beispiel in Aso auf. Die Perspektive eines Erhalts gemeinschaftlicher Nutzung und Pflege von Steillagen scheint angesichts der Herausforderungen durch die Bevölkerungsentwicklung, die Interessengegensätze der Generationen, die technifizierte Landwirtschaft und ihre Erfordernisse, sowie die Nachfragekonjunkturen, denen Produkte aus landwirtschaftlicher Produktion unterworfen sind, zunehmend zu schwinden.
Harald Fuess reflektiert die aktuelle Tourismus-Situation in Kyōto. Die COVID-19-Pandemie beschert der Kommune nunmehr den extremen Gegensatz zur Plage des Übertourismus. Die Voraussetzungen dafür, dass nach überstandener Heimsuchung die Stadt gewisse negative Auswirkungen zu unterbinden in der Lage sein wird, scheint jedenfalls günstiger als für so manche andere Destination, die von den Massen überschwemmt wird. Entscheidender Faktor bleibt freilich, wie allenthalben, die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von Betrieben der Beherbergung und anderer Dienstleister über die Durststrecke und wie späterhin dem Bedürfnis zu Reisen im internationalen Verkehr und nach internationalen Vereinbarungen wieder entsprochen werden wird. Nichts wird mehr sein wie es war, wird es aber womöglich auch nicht sein.
Markus Hoffmann setzt sich mit hensachi auseinander, worunter ein in Zahlen gegossenes Verfahren der Gewichtung zu verstehen ist, welches gleichermaßen Akteure wie Institutionen des japanischen Bildungssystems bewertet. Die mitunter bedenklichen Auswirkungen der Effekte von Universitätsrankings, nicht zuletzt auf die akademische Publikationspraxis, verhehlt der Autor nicht. Seine Positionierung in der leidigen Debatte ist unmissverständlich. Dass sich in Japan je eine Alternative zur „Prüfungshölle“ etablieren könnte, scheint indes unwahrscheinlich. Als dermaßen entscheidungslenkend stellt sich hensachi bei den Hauptbetroffenen heraus, dass für viele offenbar nicht vorstellbar wäre wie sie ohne es den Weg an ihre Universität finden könnten.
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