Schreibender Regisseur

Buchtitel: Die Welt hasst mich [Watashi wa sekai de kirawareru]
Autor: Kitano Takeshi [Aus dem Japanischen übertragen von Sabine Mangold]
Verlag, Erscheinungsjahr: Angkor, 2006 (2. Aufl.)
ISBN 3-936018-39-1

Der Typ mit der charakteristischen Gesichtslähmung, die von den Folgen eines Motorradunfalls herrührt, hat sich in unseren Breiten vor allem als Regisseur von Filmen spektakulärer Brutalität und Süffisanz einen Namen gemacht. Dass er durchaus auch das Zeug zum Spaßvogel besitzt, ist in Japan ein Allgemeinplatz und wird man auch bei uns spätestens nach seinem neuesten Film „Akires to kame“, der unlängst in Venedig lief, zur Kenntnis nehmen. Hierzulande freilich noch weniger bekannt ist, dass der Mann auch die Schreibmaschine malträtiert. In etwas eigenwilligen Essays macht er sich über dies und das her. Ich bin mir unschlüssig, ob es nur an der Übersetzung ins Deutsche liegt, dass man dem Manne empfehlen möchte es bleiben zu lassen – das Schreiben nämlich. Schrullige Ansichten zu vertreten ist das eine, schlichten Blödsinn zu verzapfen aber das schwer erträglich andere. Über den Aufsatz „Ist es moralisch verwerflich, einen Erhängten noch an den Füßen zu ziehen?“ bin ich in diesem Buch nicht hinausgekommen. Schon klar – der Suizid ist in Japan in einen anderen gesellschaftlichen Kontext, in andere Traditionen eingebunden als, sagen wir, in Europa. Aber das macht noch nicht verständlich, warum es Siechenden grundsätzlich anzuraten wäre, Hand an sich zu legen. Dass des Regisseurs Moralisieren gegen die Moralisierer als Volte letztlich ins Leere zielt, wird auch durch seine eigene Grenzerfahrung als Schwerstverletzter auf der Intensivstation nicht treffgenauer. Über eine notariell hinterlegte Patientenverfügung, wie in Österreich möglich, zu entscheiden, inwieweit behandelte Ärzte im Extremfall ihr Handeln einzuschränken haben, lässt die Problematik einer allzeit gültigen Willensbekundung offen.
Darüber kann man nicht flapsig räsonieren. Auch nicht in Japan.

Scv



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