Erinnerungen an Kobayashi Takiji

Buchtitel: Mein Sohn Takiji
Autorin: Miura Ayako. Aus dem Japanischen von Gerhard Bierwirth und Arno Moriwaki
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2014
ISBN 978-3-86205-391-9

Der Schriftsteller Kobayashi Takiji hätte vielleicht der japanische Upton Sinclair werden können, wäre seinem Leben nicht unter der Knute der Polizeigewalt ein vorzeitiges Ende bereitet worden. In diesem Buch, das sich als Roman vorstellt, gibt die Schriftstellerin Miura Ayako die Lebensbetrachtung von Takijis Mutter Kobayashi Seki wieder. Dazu wählt sie die Form eines Gesprächs, das die Achtundachtzigjährige mit einem nicht näher in Erscheinung tretenden Gegenüber im Haus ihrer verheirateten Tochter Chima bei Otaru, Hokkaidō, um 1960 führt. Der Plauderton lässt einen den Beschreibungen wie einem dramatisierten Bühnenmonolog folgen. Der Erzählfaden beginnt mit dem Aufwachsen Sekis im Dörfchen Shakanai in der Präfektur Akita unter bedrückender Kargheit. Sie heiratet gewissermaßen ins selbe Milieu ein, mit dem Unterschied, dass ihre Herkommensfamilie schon immer arme Bauern stellten, die Kobayashis jedoch, aus begüterten Verhältnissen geratend, durch verlorene Rechtshändel verarmten. Insgesamt sieben Kindern schenkt Seki das Leben. Aus Takiji wird ein landesweit bekannter Autor, der sein Schreiben unter den Anspruch der Weltverbesserung stellt. Er wird gewissermaßen zu einem Repräsentanten einer japanischen littérature engagée. Die Utopie kollidiert in den 1920er und 1930er Jahren allerdings mit der Wirklichkeit wachsender Militarisierung. Wer sich den organisierten Interessenverbänden der arbeitenden Klasse anschließt, begibt sich in Lebensgefahr. Als Dreißigjähriger wird Takiji, nachdem ihn ein Spitzel denunziert, auf der Tokioter Polizeistation Tsukiji, während grausamster Misshandlungen, ermordet. Die Mutter, die am übergebenen Leichnam ihres Sohnes unschwer erkennen kann welche Tortur ihm widerfuhr, verfolgen die schrecklichen Bilder bis in den Lebensabend. Für sich findet sie schließlich Trost in einer Hinwendung zum christlichen Glauben.
Immer wieder ist von der Gepresstheit der einfachen Leute die Rede, die, obschon sie arm sind, ihre Menschlichkeit nicht preisgeben. Nur gelegentlich widerspricht sich der Grundton des Redeflusses, die wiederholte Beteuerung komplizierte Sachen nicht zu verstehen, etwa wenn Begriffe eingestreut werden, die schwerlich dem Wortschatz einer Analphabetin entstammen können.
Ein Buch des Genres „Erinnerungsmonolog“, dem man eine gleichrangige Nennung neben Brigitte Schwaigers „Die Galizianerin“ nicht versagt.



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