Nippons Hauptstadt

Buchtitel: Tokio. Vom Glück urbanen Lebens
Autor: Florian Coulmas
Verlag, Erscheinungsjahr: C.H.Beck, 2014
ISBN 978-3-406-66689-6

Florian Coulmas lebt seit etlichen Jahren als wissenschaftlicher Resident in der japanischen Hauptstadt. Er zeichnet als Verfasser mehrerer Bücher über Japan, die sowohl die interessierte Leserschaft wie den Fachmann gleichermaßen anzusprechen verstehen. Außerdem verfertigt er regelmäßig Artikel mit hohem Aktualitätsbezug für die Neue Zürcher Zeitung. Als ausgewiesener Kenner der japanischen Kultur, der die Vielfalt der Aspekte wertzuschätzen weiß, aus denen sich diese zusammensetzt, versagt er sich nicht den kritischen Blick auf bedenkliche Phänomene. Mag es auch der Untertitel auf den ersten Blick nahelegen, so ist Coulmas‘ Tokio-Buch dennoch keines, das von seinem Gegenstand nur in den höchsten Tönen schwärmen würde. Natürlich geht es nicht ohne Superlative ab. Eine der größten Agglomerationen der Welt weist eine der niedrigsten Verbrechensraten, einen nahezu lächerlich geringen Ausländeranteil auf – in Vergleich gesetzt zu anderen Weltmetropolen wie New York, London oder Berlin –, die größte Anzahl der von internationalen Gremien mit Höchstnoten bewerteten Restaurants, in Tokio befinden sich einige der höchsten Gebäude der Welt, es zirkulieren die verlässlichsten öffentlichen Verkehrsmittel, nirgendwo sonst boomt das Geschäft mit Luxusartikel dermaßen, keine andere Kapitale besitzt so viele Universitäten und Fachhochschulen, an keinem Ort der Welt gibt es so viele Theater und nirgendwo sonst wird erdbebensicherer gebaut. In einer der weltweit teuersten Städte kann man nahezu allenthalben preiswert zu Mittag essen, ohne Abstriche in Zubereitung und Qualität in Kauf nehmen zu müssen. Tokio ist nicht die Stadt des rasenden Stillstands, sondern der Ort, der permanente Transition mit Beharrlichkeit verschwistert. Manches bleibt hier in steter Verwandlung gleich. In Tokio gibt es keine Slums und keine Ghettos, gleichwohl eine wachsende soziale Differenzierung der Selbstbeschreibung als Mittelstandsgesellschaft zunehmend die Verfänglichkeit nimmt. Auch wenn es in Japan seit geraumem kein Bevölkerungswachstum mehr gibt, erhöht sich die Einwohnerzahl Tokios stetig und die Schaffung leistbaren Wohnraums zeichnet sich als eine der Herausforderungen ab, zumal die Zahl der Einpersonenhaushalte nach wie vor wächst. Eine zweite Herausforderung stellt der künftige Umgang mit allein lebenden, alten Menschen dar. Es hat den Anschein, als würde in Tokio mit Zukunft nicht einfach experimentiert. Tokio – das ist die Praxis der Zukunft.



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