Das Streben der Kaufleute

Buchtitel: Shōnindō – Der Weg des Kaufmanns. Von der Diskriminierung eines Standes zur Ökonomisierung einer Kultur
Autor: Gerhard Bierwirth
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2013
ISBN 978-3-86205-252-3

In jenem, Gesellschaft wie Herrschaft des Tokugawa-Regimes vermeintlich determinierenden Ständesystem shi-nō-kō-shō rangieren die Kaufleute bekanntlich an letzter Stelle. (Hinin werden in dieser Kategorisierung ebenso wenig berücksichtigt, wie der „Vogelfreie“ in einem Schematismus des europäischen 17. Jahrhunderts Erwähnung erführe.) Tatsächlich werden die Widersprüche einer ökonomisch erstarkenden Gesellschaftsschicht, der die Anerkennung vorenthalten bleibt und eines Kriegeradels, dessen untere Ränge zunehmend materiell erodieren, im Laufe der Entwicklung immer eklatanter. Gerhard Bierwirth zeichnet in seiner kenntnisreichen Studie die Emanzipation der Protagonisten der Ökonomie aus diskriminierender Geringschätzung nach, ihre Entwicklung zu jenen einflussreichen Akteuren des gesellschaftlichen Wandels, die eine Zeitlang den herrschenden Diskurs befeuern, bevor ihnen die Ultranationalisten unter den Militärs das Heft aus der Hand nehmen. Eine Renaissance jener „kulturellen Hegemonie“, die wirtschaftliches Denken prioritär verortet, wähnt der Autor in der Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg nur vorübergehend wieder aufleben, weil durch Vorfälle wie beispielsweise Minamata-Krankheit oder Lockheed-Abhörskandal weitestgehend desavouiert, sowie durch Maßnahmen wie die schleichende Verabschiedung der „Beschäftigungsgarantie bis zur Altersgrenze“ ihres allfälligen Glanzes beraubt. Die japanische Gesellschaft der Gegenwart zeichnet sich durch die Vielstimmigkeit ihrer Diskurse aus.
Zur Entwicklung dieser Conclusio führt der Autor eine Fülle historischer Details auf, die einen mit zum Teil erfrischenden neuen Sichtweisen konfrontieren. Ein Aspekt sei herausgegriffen: Das Reüssieren neuer künstlerischer Ausdrucksweisen im späten 17. Jahrhundert ist maßgeblich einer kulturbeflissenen Kaufmannselite zu danken. Ein Mäzenatentum neuer Prägung war an der „Aufwertung vormals niedrig notierter künstlerischer Aktivitäten“(S. 96) mitbeteiligt.
Die beschriebenen Auslegungen des Neokonfuzianismus im Zuge der ideologischen Restaurationsversuche im 18. Jahrhundert sind sehr interessant. Nicht minder sind es die Überlegungen zu einer Auswahl der literarischen Produktion des 19. Jahrhunderts, welche die Dämmerung des neuen Zeitalters spiegeln.



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