Japanischer Upton Sinclair

Buchtitel: Das Fabrikschiff
Autor: Kobayashi Takiji. Deutsch von Alfons Mainka
Verlag, Erscheinungsjahr: Cass, 2012
ISBN 978-3-9809022-8-1

Die deutsche Übersetzung von Kani-kōsen erschien ursprünglich 1958 unter dem Titel „Krabbenfischer“ im Verlag Volk und Welt in Berlin (Ost). Die Neuausgabe ist um die Auslassungen der ersten Übertragung ergänzt. Das japanische Original wurde erstmals 1929 verlegt und war in den 1930er und 1940er Jahren verboten. Sein Verfasser Kobayashi kam 1933 als Opfer polizeilicher Willkür zu Tode.
Dies ist die Geschichte des Krabbenfischerbootes Hakkomaru und des Leidensweges seiner geradezu schanghaiten Besatzung in den eisigen Gewässern vor Kamtschatka. Ihre vor Dreck starrende Unterkunft auf dem permanent schlingernden Kahn heißt – nomen est omen – das „Jauchefass“. Der Inspektor genannte Vertreter der Fischereigesellschaft hält Fischer und Saisonarbeiter unter der Knute seines unbarmherzigen Regiments. Geschuftet wird bis zur körperlichen Erschöpfung und unter permanenter Androhung drakonischer Strafen. Als es zur Eskalation kommt und sich die Arbeiter organisieren, alarmieren die „Herren“ ein Kriegsschiff. Die mit euphorischen „Banzai!“-Rufen Willkommen geheißenen Infanteristen der Kaiserlichen Kriegsmarine erweisen sich freilich nicht als solidarische Beschützer der arg kurz Gehaltenen.
Mag der Tonfall der Empörung mitunter an das Overacting in asiatischen Filmen erinnern und in einem Kapitel die geschilderten Verhältnisse auf Kamtschatka, wo ein im Sturm abgetriebenes Fangboot strandet, ein bisschen zu sehr AgitProp strapazieren, erweist sich der Wert der (Re-)Lektüre gerade in einem sehr deutlich: Daran zu erinnern, was die Erschließung Hokkaidos an Menschenleben gekostet hat, zu Zeiten, da das Schicksal eines Einzelnen nichts galt vor dem ominösen großen und herrlichen Ganzen.
Natürlich fühlt man sich an das „Totenschiff“ von B. Traven erinnert, etwa als einmal versonnen über den Versicherungswert des Krabbendampfers räsoniert wird, den man höher veranschlagt als das Schiff selbst mitsamt seinen vierhundert Menschen an Bord. Die Möglichkeit, ein japanischer Upton Sinclair zu werden, blieb dem Autor versagt. Er wurde nicht einmal dreißig Jahre alt.



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