Japan in deutscher Provinz

Titel: Mitsukos Restaurant
Autor: Christoph Peters
Verlag, Erscheinungsjahr: Luchterhand, 2009
ISBN 978-3-630-87273-5

Vielleicht hat ja jeder sein Japan-Erweckungserlebnis und der eine findet es in der Begegnung mit den Menschen, der andere in der Auseinandersetzung mit den schönen Künsten, der Dritte in einem Faible für die Ausprägungen der Popkultur. Unsereiner ist Japan erstmals in den 1970er Jahren als Dreikäsehoch in einem Wiener Heurigenlokal begegnet, da ein hochgewachsener Herr Yamagata Hiromitsu und dessen nicht minder beeindruckende Gattin aus Tokio ihre Hochzeitsreise durch Europa mit rustikaler Verpflegung bei originalösterreichischer Urgemütlichkeit zu beschließen gedachten. Heurigenliedgewinsel inklusive. Dass alle Japaner Liliputaner sind, konnte mir von da an keiner mehr weißmachen.
Möglicherweise haben es dem deutschen Autor Christoph Peters ursächlich Teezeremonie und japanische Keramik angetan, die in dem vorliegenden Roman eine nicht unbedeutende Rolle spielen, auf dass er nicht nur das artifizielle Interieur, sondern vor allem die Menschen darin zur Sprache kommen ließ. Deutscher Literatur haftet mitunter etwas Schwerfälliges an, als würde die sorgfältig gestrickte Prosa primär fürs germanistische Proseminar mit Bedeutungsverweisen angereichert. Davon hebt sich der vorliegende Roman, dessen Titel wohl nur zufällig an jene Französin erinnert, die unter dem Namen „Les Rita Mitsouko“ recht eigenwillige Musik gemacht hat, in angenehmer Kurzweiligkeit ab. Obwohl es gerade im Zusammenhang mit Teekultur und eskapistischen Meistern des Schwerts wie der Töpferei auf der Hand läge, die ganze Chose symbolistisch zu überfrachten.
Mitte der 1990er Jahre stößt der leicht verbummelte Protagonist Achim in einem niederrheinischen Hintertupfing in einer Wandererkaschemme auf die kochende Japanerin Mitsuko, die einem belastenden Verpflichtetsein in Japan ebenso erfolgreich den Rücken gekehrt hat, wie einem Lebensbundintermezzo in der Schweiz. Wie es sich für einen angehenden Pleitier seiner Lebensgestaltung gehört, fängt die Liebesgeschichte, in der Achim sich selbst gerne sähe, ein anderer an. Aber stünde am Ende nicht er als einer da, der sich zusammenreißt und Hals über Kopf nach Japan aufmacht, wäre als einer fehlenden inneren Verwandlung dem Sujet eines Romans wohl nicht genüge getan (zumindest nach Albert Drach).
Auf dem Weg dorthin wird viel an Peinlichkeiten und Missverständnissen spürbar, denen man sich im interkulturellen Trialog (kurz taucht eine Thailänderin auf und für länger eine Chinesin) aussetzen kann, wenngleich man sich doch krampfhaft darum bemüht, ebendiese zu vermeiden. Ein bisschen Yakuza-mäßig wird es dann auch noch (inklusive Fingerkuppencision). Und natürlich wird auch gekocht. Zum Glück nicht in der Pose des „jederzeit zum Nachkochen“, wie es in der Belletristik mittlerweile inflationär geworden ist. Aber die Zähne lang werden dürfen einem schon, etwa bei Wildschwein a la cuisine japonaise.
Die parallel durchwirkte Geschichte, die unter den Einträgen „Einige hundert Jahre zuvor in Japan“ fortlaufend geschildert wird, ganz in der Emphase, die einem aus Samurai-Filmen vertraut zu sein glaubt, stellt den Zusammenhang mit der Hauptgeschichte am Ende vermittels eines überaus verblüffenden Artefakts her.
„Japan fasziniert mich schon lange“, sagte er, „aber ich bin natürlich weit davon entfernt, irgend etwas zu begreifen.“ (S. 266). Nicht nur wer beim Lesen dieses Satzes ein Deja-vu empfindet, ist mit diesem Buch bestens unterhalten!



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